Mediterranean Fever Zypern, Frankreich, Deutschland, Palästina 2022 – 108min.
Filmkritik
Gesellschaftliche Konflikte und andere unheilbare Krankheiten
Der neueste Film von Maha Haj, der in der Cannes-Auswahl "Un Certain Regard" für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, erfreut durch seine Behandlung eines Themas, das im Kino viel zu wenig dargestellt wird - den israelisch-palästinensischen Konflikt.
Regisseurin und Drehbuchautorin Maha Haj geht das Wagnis ein, einen Protagonisten in den Mittelpunkt ihrer Erzählung zu stellen, mit dem man sich nur schwer identifizieren kann. Waleed hat die Kälte und Aggressivität eines echten Misanthropen. Er lehnt die Medikamente und Ratschläge seiner Psychologin ab und ist nicht bereit, sich zu ändern. Die eisige Inszenierung des ersten Aktes, die sich vor allem durch feste Einstellungen und gedeckte Farben auszeichnet, passt sehr gut zu den Gemütszuständen des Protagonisten.
Der Grund, warum wir es überhaupt mit dieser Figur aushalten, ist die Aussicht auf eine Veränderung. Die Ankunft seines neuen Nachbarn, einer ambivalenten und intriganten Person – ein bisschen Mafioso, ein bisschen Maurer, ein bisschen Hausmann – könnte Waleed dazu bringen, seine Trägheit zu überwinden und zu erkennen, dass es ihm helfen könnte, sich von Jalals Alltag inspirieren zu lassen und seine leeren Seiten zu füllen. Diese Tatsache wird von der filmischen Umsetzung wirksam unterstützt, die sich nun an kürzere Brennweiten und mehr Bewegung wagt.
Das Publikum glaubt daher, bald mit einem der befriedigendsten Erzählvergnügen belohnt zu werden: der Möglichkeit, den schnellen Wandel einer Figur von gut zu böse, von mies zu genial, von traurig zu glücklich zu verfolgen.
Aber die Filmemacherin macht uns etwas vor. Denn es wird keine positive Entwicklung geben. Die sich neu entwickelnde Freundschaft erweist sich für Waleed als ein Werkzeug, ein Mittel, um seine Selbstzerstörung zu beschleunigen. Der Protagonist, der immer wieder daran erinnert wird, dass er gut und fantasievoll ist oder war, wird schließlich sich selbst und seine Familie verderben und seine Kreativität nur für seine eigenen unheilvollen Pläne nutzen.
Der israelisch-palästinensische Konflikt ist die Quelle des Problems, mit dem der Protagonist konfrontiert ist. Die Filmemacherin versteht es, den Konflikt allgegenwärtig zu machen, ihn um Waleed herum schweben zu lassen, ohne dass er das Zentrum der Erzählung bildet: Er wird systematisch im Fernsehen thematisiert, er wird sich als Ursache für die chronische Krankheit von Waleeds Sohn herausstellen, etc.
«Mediterranean Fever» erforscht den Zustand der apathischen Traurigkeit, den ein solcher Konflikt in Menschen auslösen kann. Vor allem aber zeigt er uns, wie wichtig es ist, diesen Zustand als Motor für Veränderungen zu nutzen. Denn Waleed, der sich auf den Ruin, den Verlust und den Tod konzentriert, verbittert und wütend ist, denkt nicht einmal an die Möglichkeit eines Wiederaufbaus. Er nutzt seine Wut nicht auf kreative Weise, als revolutionären Antrieb. Als Jalal ihn fragt, warum er nicht über die Besatzung, über Palästina schreibt, kann er nur die Sinnlosigkeit dieses Unterfanges sehen. So werden die Einstellungen wieder leblos und kalt.
Der Film weist auf die Notwendigkeit hin, die Dämonen der gesellschaftlichen und politischen Welt so zu formen, dass sie als Grundlage für Kreativität und nicht für die weitere Zerstörung von Individuen dienen.
Unter diesem starken Diskurs, der in einem Kontext angesiedelt ist, der im Kino viel zu selten dargestellt wird, verbergen sich leider einige Schwächen. «Mediterranean Fever», dessen Ton überwiegend dramatisch ist, versucht sich gelegentlich an einem Hauch von schwarzem Humor. Diese Momente sind jedoch spärlich und ungleich verteilt und verleihen der Geschichte den unwillkommenen Beigeschmack des Unwirklichen. Wenn der Film dann mit einem dieser ungeschickten Einfälle endet, wird seine gesamte Aussagekraft beeinträchtigt.
Aber diese dissonanten Versuche können auch als Ausdruck eines der größten Werte dieses Films gesehen werden: «Mediterranean Fever» ist ein Werk, das - auch wenn es manchmal daneben geht - etwas versucht, sich bewegt, denkt und uns zum Nachdenken bringt.
Übersetzung aus dem Französischen von Colin Schwab durch Maria Engler.
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