Un beau matin Frankreich, Deutschland 2022 – 112min.

Filmkritik

Die zwei Seiten eines Lebens

Filmkritik: Maxime Maynard

Die Regisseurin und Drehbuchautorin Mia Hansen-Løve stellt ihren neuen Spielfilm «Un beau matin» vor. Ein Melodram nach französischem Vorbild, das bei den 75. Filmfestspielen von Cannes das Europa Cinema Label gewann und beim Zurich Film Festival 2022 gezeigt wird.

In Verbindung mit Alter oder Krankheit haben geistige und körperliche Degeneration ihren ehrenvollen Platz auf der Leinwand gefunden: Von «Vortex» von Gaspar Noé bis zu «Amour» von Michael Haneke. Meisterwerke des Kinos, denen «Un beau matin» dank der grossartigen Leistungen eines herzzerreissenden Pascal Greggory und einer Léa Seydoux durchaus hätte Konkurrenz machen können. Denn es sind ihre Gespräche, kleine Fenster in eine Vater-Tochter-Beziehung, die durch eine unheilbare Krankheit in ihrem Elan zerbrochen ist, die die wunderbaren dramatischen Impulse des Films erfüllen. Eine ergreifende Beziehung, die durch die Präsenz der genialen Nicole Garcia rhythmisiert wird, die als Françoise, Sandras Mutter und Georgs Ex-Frau, bewundernswert ist.

Aber wenn die Besetzung sich soviel Mühe gibt, wird nicht mit dem Willen des Drehbuchs gerechnet, die ehebrecherischen Leidenschaften des Paares Sandra-Clément (ein sanfter und charismatischer Melvil Poupaud) mit einzubeziehen. Die anfängliche Romantik ist zwar ansehnlich, wird aber schnell von einem Übermass an lyrischen Höhenflügen abgelöst, die der Natürlichkeit entbehren und typisch für ein bestimmtes französisches Kino sind. Ein Aufschwung eines Melodrams, der fast dazu verleitet, den Rest des Werks zu vernachlässigen. Denn ihre Beziehung unterbricht die Momente der medizinischen Intensität immer wieder durch ihre unaufhörlichen Risse und Wiedervereinigungen. Ein honigsüsses, konstantes und belastendes Hin und Her, das durch die überwiegende Präsenz von Durchgangsorten - Haustüren, Treppenhäuser, Fahrstühle - dennoch eine interessante Bildsprache entwickelt.

Im Leben, in der Gesundheit und in der Liebe ist alles in Bewegung, alles verändert sich, alles entwickelt sich weiter. Und obwohl die Gegenüberstellung dieser beiden Facetten von Sandras Leben eine charmante Idee bleibt, werden ihre ungleichen Qualitäten schliesslich ermüdend. Aber auch wenn das Thema mehr verdient hätte, bleibt «Un beau matin» nichtsdestotrotz ein vibrierendes Werk.

Übersetzung aus dem Französischen von Maxime Maynard durch Zoë Bayer.

15.12.2022

3

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Kommentare

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Tom29

vor einem Jahr

Film setzt auf Gefühle, hat etwas schwebend Leichtes und verbindet gut die verschiedenen Generationen. Léa Seydoux spielt sehr gut.


thomasmarkus

vor einem Jahr

Zu romantisch die Go on Go of Story, zu ungetrübt fast die Beziehung Tochter Vater.
Mehr feel good, weniger Tiefe?


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