Napoleon Malta, Grossbritannien, USA 2023 – 158min.

Filmkritik

Das Fallbeil des eigenen Ehrgeizes

Maria Engler
Filmkritik: Maria Engler

Regisseur Ridley Scott liefert mit dem Historienepos «Napoleon» jede Menge Filmmaterial für den Geschichtsunterricht. Leider übernimmt sich der Film mit allzu vielen Themen und einem schlicht zu grossen Ausschnitt historischer Ereignisse. Rettung bietet lediglich die Performance von Joaquin Phoenix und die visuelle Schlagkraft des Schlachtgeschehens.

1793: Während der Französischen Revolution wird Marie Antoinette in Paris hingerichtet – es entsteht ein gewaltiges Machtvakuum. Der General Napoleon Bonaparte macht mit erfolgreichen Schlachten von sich reden, steigt in den kommenden Jahren in der neuen Machtstruktur Frankreichs auf und krönt sich schliesslich selbst zum Kaiser. An seiner Seite steht seine Ehefrau Joséphine, doch sowohl sein Privatleben als auch seine Herrschaft geraten immer mehr ins Wanken.

Im Zentrum dieses Historienepos des mittlerweile 85-jährigen Regisseurs Ridley Scott steht Joaquin Phoenix als Napoleon Bonaparte. «Napoleon» fixiert sich nahezu vollständig auf seine Hauptfigur – eine Last, die der Oscargewinner, der bereits im Jahr 2000 in Scotts «Gladiator» als skrupelloser Herrscher auftauchte, bravourös stemmt. Auch wenn der Drahtseilakt, einen echten Menschen darzustellen, der nicht von seinem eigenen Bild überstrahlt wird, nicht immer gelingt, liefert Joaquin Phoenix eine beeindruckende Performance.

Insgesamt ist «Napoleon» aber leider zu unfokussiert, um über die Dauer von 2,5 Stunden Laufzeit wirklich zu fesseln. Der Film rast durch die Historie, die für Menschen, die sich nicht so gut in der französischen Geschichte auskennen, schnell verwirrend wird. Zwischen politischem Ränkeschmieden, epochalen Schlachten, gesellschaftlichen Umständen in Frankreich, der Charakterisierung seines Protagonisten und der komplizierten Liebesbeziehung verliert der Film zusehends den Überblick und behandelt im Grunde alles ein wenig, aber nichts wirklich tiefgehend – eine emotionale Verbindung zum Publikum baut sich so kaum auf.

Etwas deutlicher ausgearbeitet wird die holprige Beziehung zwischen Napoleon und Joséphine, doch in seiner Fixierung auf seinen Hauptcharakter lässt der Film seiner weiblichen Hauptrolle weder besonders viel Charakterisierung noch Dialog. Mehr als einmal steht sie den ausufernden Tiraden Napoleons komplett sprachlos gegenüber – ärgerlich. Vanessa Kirby, die trotz der hausgemachten Flachheit ihres Charakters ihr Bestes gibt, wirkt in der Rolle leider verschenkt.

Visuell überzeugt «Napoleon» über weite Strecken, besonders die Schlachten und Kämpfe sind sehenswert und beeindruckend. Bedauerlicherweise setzt im Laufe der Darstellung von insgesamt sechs Schlachten eine gewisse Ermüdung ein. Irritierend wirkt auch eine Texteinblendung zum Ende des Films, die über die gigantischen Opferzahlen von Napoleons Feldzügen informiert. Nach 2,5 Stunden epochal inszeniertem, ästhetisch poliertem Schlachtgeschehen wirkt diese Botschaft über die Sinnlosigkeit des Krieges etwas widersprüchlich.

Insgesamt ist «Napoleon» sicher ein Film für Historienfans und Freunde der gepflegten Schlachten-Action, der in einigen Jahren bestimmt in keinem Klassenzimmer fehlen wird. Wem das Ganze noch nicht ausufernd genug war, darf sich auf den Director’s Cut freuen, den Ridley Scott mit einer Laufzeit von prallen 4,5 Stunden ankündigte – vielleicht darf Joséphine dann auch mal was sagen.

21.11.2023

2.5

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Kommentare

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Andy

vor 8 Monaten

Gut gemacht aber ermüdend und unvollständig. Das wäre der Stoff für eine Serie gewesen. Die Geschichte von Napoleon kann kaum nachvollzogen werden, wenn die Geschichte Frankreichs nicht parallel dazu erzählt wird. Wer Freude an Schlachtszenen hat, wir vermutlich befriedigt. Wer wirklich etwas über Napoleon wissen will, sollte eine Biografie lesen.Mehr anzeigen


Patrick

vor 10 Monaten

Von der Ausstattung, Darstellerisch sowie vom Soundtrack her kan Napoleon vollends überzeugen. Aber leider hastet her durch die Krieg Ereignisse und und beruht sich mehr auf die Liebes Geschichte von Napoleon. Fazit: Pompös und Bild/ Gewaltig wird die Tragische Liebesgeschichte von Napoleon erzählt.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 10 Monaten


kritiker71

vor 11 Monaten

Exzellenter Film, keine Sekunde langweilig, super gemacht, Phoenix spielt unglaublich, er hat diese Ausstrahlung, die einen fesselt, man kan ihm stundenlang zusehen. Für mich der beste Film des Jahres.


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