Sur l’Adamant Frankreich, Japan 2023 – 109min.

Filmkritik

Ein strahlender Dokumentarfilm über psychische Störungen

Théo Metais
Filmkritik: Théo Metais

Eines ist sicher: Der Goldene Bär für Nicolas Philibert bei den Berliner Filmfestspielen hat alle überrascht. «Sur l'Adamant» bleibt gleichwohl ein Werk mit einer ansteckenden Euphorie, ein Dokumentarfilm, der so hell leuchtet wie die Personen, die er porträtiert.

Im Schatten der Charles-de-Gaulle-Brücke in Paris schwimmt ein Hausboot mit dem Namen «L'Adamant». Eine spezielle Anlaufstelle, die Menschen mit psychischen Störungen aufnimmt. Sie heissen Pascal, Olivier, Catherine und François und bilden ein kosmopolitisches soziales und kulturelles Spektrum. Auf der «Adamant» treffen sie sich und tauschen sich in aller Ruhe aus, weit weg von der psychiatrischen Klinik und den Blicken von Aussen. Schillernde, poetische und berührende Persönlichkeiten, die sich eine nach der anderen vor der wachen Kamera des Regisseurs öffnen.

2023 ist das Jahr der Anerkennung für den französischen Filmemacher Nicolas Philibert, der 2002 den inzwischen berühmten Film «Être et avoir» gedreht hat und endlich einen grossen Preis bei einem internationalen Filmfestival gewinnt. Die Konkurrenz war gelinde gesagt hart und vielseitig, aber unter der Leitung der Jury, die von der amerikanischen Schauspielerin Kristen Stewart angeführt wurde, hat sich die zarte Erzählung von diesem Hausboot am Ufer der Seine einen Weg in die Geschichte der Goldenen Bären gebahnt.

«Sur l'Adamant» ist einer dieser seltenen Dokumentarfilme, die sich in den Dienst ihres Themas und nicht ihres Autors stellen. So tritt der Filmemacher, abgesehen von einigen kurzen Nebenbemerkungen, hinter die Kamera zurück, um seinen Protagonisten das Wort zu überlassen. Nicolas Philibert ist jedoch nie weit entfernt, und sie sprechen ihn mitten in den Aufnahmen an: «Hast du ein Auto, um deinen ganzen Kram zu transportieren?». Der Filmemacher kümmert sich vor allem darum, das Objektiv auszurichten, um die Vergänglichkeit ihrer Gedanken einzufangen.

Die Eröffnung der Einrichtung wird durch eine lautstarke Wiederholung von «La Bombe humaine» bezeugt. Später glänzt der Film durch die schillernd aufrichtige Darstellung des Zeichenateliers, in dem sich psychische Störungen mit der Poesie der Art Brut und surrealistischen Gedanken vermischen. Humor als Dirigent: «Hier gibt es Stars», wird uns ein Bewohner sagen, und weiter: «Sie sind besser als Filmdarsteller». Der ebenso witzige wie vorausschauende Film «Sur l'Adamant» lässt uns auch in den heiklen Alltag des Begleitpersonals (Psychiater, Studierende, Auszubildene usw.) eintauchen. Der Filmemacher vermeidet in dieser Hinsicht die Klippen einer moralisierenden und gesellschaftskritischen Erzählung und schafft schliesslich einen Dokumentarfilm, der mehr beobachtet als behauptet.

Da es vor allem um die Bewohner geht, diese unglücklichen Seeleute, die trotz ihrer tiefen Ängste und der Abhängigkeit von Medikamenten zu Selbstreflexion und grosser Kreativität fähig sind, ist «Sur l'Adamant» mehr wert als tausend und eine Lektion über das Leben. Im Publikum blieben einige an ihrem Schweigen und ihren musikalischen Höhenflügen hängen, andere versuchten noch, das Geheimnis ihrer Haikus zu entschlüsseln. Die Jury der 73. Berlinale hat sich nicht geirrt, denn im Herzen dieser rohen Wahrheit, an der «Sur l'Adamant» andockt, gibt es etwas wunderbar Menschliches.

27.09.2023

4.5

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