Artikel6. September 2024 Cineman Redaktion
Filmwissen: Langer Leidensweg eines Franchise: 30 Jahre «The Crow»
Vor 30 Jahren kam der legendäre Film mit Brandon Lee in die Kinos, jetzt soll ein Remake mit Bill Skarsgård den alten Erfolg wiederbeleben. Bisher ging der Plan allerdings nicht auf. In den USA entwickelte sich der neue «The Crow» zum Flop. Wir verraten dir, warum sich die Neuauflage damit in die Tradition einfügt, welche Mythen sich um das Franchise ranken und welche Adaption du dir nicht entgehen lassen solltest.
von Peter Osteried
Der Erfolg des Originals: «Die Krähe» von 1994
Es ist die ewige Frage: Kam der Erfolg von «Die Krähe», weil der Film so gut ist, oder weil die Tragik um den Tod von Brandon Lee während der Dreharbeiten einen Publicity-Tsunami generierte, dem sich niemand entziehen konnte? Vielleicht ein bisschen von beidem, aber eines ist klar: «Die Krähe» ist ein extrem stylischer Film, der eine einfache Rache-Geschichte mit einem wahren Bilderrausch kombiniert.
Die Basis dafür war James O’Barrs Graphic Novel, die in den 80ern grossen Erfolg hatte. Aber es dauerte, bis ein Film daraus wurde. Autor John Shirley und Produzent Jeff Most stiessen auf den Comic, als sie nach einem Projekt suchten, das sie bei einem Studio unterbringen konnten. Es dauerte mehr als ein halbes Jahrzehnt, bis die Verfilmung von «Die Krähe» Wirklichkeit wurde. Im Verlauf dessen wurde der Drehbuchautor rausgeworfen, mit Alex Proyas ein Regisseur gefunden, der mit Musikvideos auf sich aufmerksam gemacht hatte, und mit Bruce Lees Sohn Brandon Lee stand ein Hauptdarsteller zur Verfügung, der wie die Faust aufs Auge passte.
Denn die Geschichte von Eric Draven, der nach dem Mord an seiner Freundin und sich von den Toten zurückkehrt, um sich an ihnen zu rächen, ist vor allem auch eine, die dem Look der 90er-Jahre verpflichtet ist, die den damals populären Goth-Chic nahm und ihm ein filmisches Denkmal errichtete. Vor allem anderen ist es dieser Look, der «Die Krähe» zu einem Erfolg werden liess. Ein Look, dem das Franchise in der Folge niemals wieder gerecht wurde.
Der fatale Moment
Der Moment, in dem Brandon Lee zu Tode kam, findet in der Szene statt, als Shelly von vier Gaunern attackiert wird und Eric Draven dazukommt. Bis zum Zeitpunkt des Drehs war unklar, ob Eric erstochen oder erschossen werden würde. Regisseur Alex Proyas entschied sich für den Revolver und wählte Michael Massees Figur Funboy aus, den tödlichen Schuss abzufeuern.
Alles wurde genau geplant, Crew und Cast erhielten präzise Instruktionen, was passieren würde. Eine Platzpatrone sollte aus einer 44. Magnum abgefeuert werden. Ein Schuss, der laut sein würde. Diese Platzpatronen sind echte Patronen, der Unterschied liegt nur in der Menge des Schwarzpulvers, die sie enthalten. Von der Menge hängt es ab, wie explosiv ein Schuss aussieht. Nur bei genügend Schwarzpulver sieht man den Rückstoss, aber auch das Mündungsfeuer. Es wurde entschieden, eine Kugel mit voller Schwarzpulver-Befüllung zu nehmen, aber die Spitze durch eine Wattierung zu ersetzen.
Bis heute ist unklar, worauf die Waffe gerichtet werden sollte. Crewmitglieder haben verschiedene Erinnerungen daran zum Besten gegeben. Dass Massee die Instruktion hatte, nicht auf Lee zu zielen – oder auch das genaue Gegenteil. Die Erinnerungen verschwammen durch das, was folgte.
Die Szene wurde mehrmals geprobt, bevor die Kamera lief. Dann wurde gedreht, alles lief wie geplant. Aber Brandon Lee stand nicht mehr auf. Der Set-Fotograf Robert Zuckerman erklärte später, dass Lee anders fiel als bei den Proben. Als «Cut» gerufen wurde, rührte sich Lee nicht. Bis zu zehn Sekunden vergingen, bis Stunt-Coordinator Jeff Imada zu ihm ging. Er hatte erkannt, dass die Szene anders verlaufen war als geprobt. Der Sanitäter sah zunächst nur das falsche Blut, das durch die künstliche Wunde zustande kam, erst dann erkannte er die Eintrittswunde in Lees Abdomen. Nach einer Erstversorgung wurde Lee unverzüglich ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde mit einer Röntgenaufnahme klar, dass das Projektil nahe Lees Rückgrat steckte. Eine Notfall-OP wurde durchgeführt, in den frühen Morgenstunden des 31. März 1993 starb Brandon Lee jedoch auf dem OP-Tisch.
Die Krähe fliegt weiter
Das hätte das Ende des Films sein können, aber es wurde entschieden, ihn auch zu Ehren von Brandon Lee zu Ende zu führen – mit Hilfe schon gedrehten Materials, mit dem Einsatz von Computertechnik, mit Masken, mit einem Double. Es gelang, «Die Krähe» abzuschliessen. Der Film kam in die Kinos und war ein Erfolg. Das könnte das Ende der Geschichte sein, aber es kam anders. Denn nach dem Regelwerk Hollywoods fordert jeder Erfolg auch eine Fortsetzung.
Ohne Brandon Lee wollten die Produzent:innen Eric Draven aber nicht zurückbringen. Die Idee war stattdessen, eine neue Geschichte mit einer neuen Krähe zu erzählen. «The Crow: Die Rache der Krähe» kam schon 1996 in die Kinos, der neue Tote, der aus Rachegründen zurückkehrt, hiess nun Ashe Corven und wurde von Vincent Perez gespielt. Der Film lehnt sich noch am Ehesten am Look des Originals an, taucht die Szenerie aber in Senffarbe und sieht schon alleine deswegen nicht besonders erquicklich aus. Das Publikum blieb fern. Vielleicht, weil es als Affront wahrgenommen worden war, dass so kurz nach dem tragischen Tod des Stars ein neuer Film produziert wurde?
Rache in Serie
Der Misserfolg des zweiten Teils liess die Lust auf einen dritten Film stark schwinden, aber ein Franchise ist ein Franchise – und will bedient werden. Im Jahr 1998 debütierte die Serie «The Crow: Stairway to Heaven», in der Eric Draven wieder die Hauptfigur ist. Gespielt wird er von Marc Dacascos, der in der Rolle sehr gut ist.
Da die Rachegeschichte sich nicht serienmässig durchziehen liess, wurde dieser Eric zu einer Art Schutz- und Racheengel, der anderen in Not hilft. Tatsächlich kam die Serie trotz der veränderten Prämisse bei Fans ganz gut an, sie wurde aber dennoch nach der ersten Staffel eingestellt. Nicht wegen Misserfolgs, sondern wegen eines Verkaufs des Studios und dem Traum von einem dritten Film. Hässlicher Nebeneffekt: Der Cliffhanger der Serie wurde nie aufgelöst.
Schwärme von Krähen
Im Jahr 2000 folgte der Kinofilm «The Crow: Tödliche Erlösung». Hier kehrt der von Eric Mabius gespielte Alex Corvis von den Toten zurück, um zu klären, wer eine junge Frau ermordete, für deren Tod ihm die Schuld gegeben wurde. Aus heutiger Sicht ist der Film nur noch für Fans von Kirsten Dunst interessiert, die hier die weibliche Hauptrolle spielt.
Mabius müht sich, aber der typische Look des Wiedergängers wurde hier komplett aufgegeben. Er erinnert nicht mal ansatzweise an Brandon Lee oder wenigstens Vincent Perez. Der Film selbst: Ein durchwachsener Crime-Streifen mit Rache-Thematik, der der Geschichte nichts Neues abgewinnen konnte.
Auch dieser Film wurde vom Publikum ignoriert. Ergo gingen wieder ein paar Jahre ins Land, bis mit «The Crow: Wicked Prayer» im Jahr 2005 der danach lange Zeit letzte Film des Franchise in die Kinos kam. Hier wird der von Edward Furlong gespielte Jimmy Cuervo von einem Gang-Leader kalt gemacht – gespielt von David Boreanaz, vollbringt er seine Gräueltaten, weil er ein unsterblicher Dämon werden will. Elf Jahre nach dem Originalfilm interessierte sich schlichtweg niemand für dieses fahle Abbild.
Der lange Weg zur neuen Krähe
Ganze 16 Jahre dauerte es, bis das Remake Wirklichkeit wurde, wobei James O’Barr den neuen Film nicht als Remake ansieht, sondern als Neuverfilmung des Comics. Schon im Dezember 2008 wurde bekannt gegeben, dass an einer Neuverfilmung der ursprünglichen Graphic Novel gearbeitet wurde. Damals sollte noch Maskenbildner und Horrorfan Stephen Norrington inszenieren, und zwar auf Basis eines eigenen Drehbuchs. Im Jahr 2010 gab es gleich zwei Entwicklungen. Zum einen wurde Sänger Nick Cave engagiert, um das Skript zu überarbeiten, zum anderen wurde Mark Wahlberg das Angebot der Hauptrolle gemacht.
Ein Jahr später stieg Norrington aus, an seine Stelle trat Juan Carlos Fresnadillo («28 Weeks Later»). Auch ein neuer Hauptdarsteller war damit im Gespräch. Die Produzenten hätten gerne Bradley Cooper gehabt. Allerdings gab es rechtliche Schwierigkeiten in Hinblick darauf, welche Firma nun ein Remake machen durfte. Das zog sich und Cooper verlor das Interesse.
Wahlberg war wieder im Gespräch, ebenso wie Channing Tatum, Ryan Gosling und James McAvoy. Ende 2011 stieg Fresnadillo dann aus, weil sich das Projekt nicht bewegte. Der nächste Regisseur sollte F. Javier Gutiérrez sein, der den Comic Seite für Seite auf die Leinwand bringen wollte.
Im Jahr 2013 war Tom Hiddleston für die Hauptrolle im Gespräch, dann wurde Alexander Skarsgårds Name ins Spiel gebracht. Besetzt wurde schliesslich Luke Evans, der erklärte, der Film wäre der Comic-Vorlage treu. Kristen Stewart wurde als Shelly in Betracht gezogen. Doch auch dieser Anlauf, das Projekt endlich in die Gänge zu bringen, fiel ins Wasser.
2015 musste die Produktionsfirma Relativity Media Konkurs anmelden, die Rechte an der Neuverfilmung wurden so weiter veräussert. Im Jahr 2016 wollten die Produzent:innen Corin Hardy als Regisseur. Im selben Jahr sollte dann Jason Momoa die Krähe werden und es wurden sogar Testfotos von ihm im Make-up veröffentlicht. Die Dreharbeiten waren für 2017 angesetzt. Einen neuen Titel hatte der Film nun auch: «The Crow: Reborn». Ein Jahr später stiegen sowohl Hardy, als auch Momoa aus.
Das Projekt dümpelte, bis es 2020 wiederbelebt wurde. Aber es dauerte noch gut zwei Jahre, bis Rupert Sanders als Regisseur genannt wurde. Ein neuer Star war auch an Bord: Bill Skarsgård.
Nach all der Zeit gibt es nun also «The Crow». Ob Neuverfilmung des Comics, Remake oder Reboot, eines lässt sich nicht wegdiskutieren: Der neue Film kann dem alten nicht das Wasser reichen. Von Original-Regisseur Alex Proyas hagelte es einige hämische Kommentare, denn dem neuen Film fehlt die Seele, die dem Original innewohnt. Damit setzt der neue «The Crow» allerdings die Tradition des Franchises fort, da alle Abenteuer der Krähe nach 1994 ausgesprochen schlecht sind. Die Leichenfledderei nach dem ersten Teil hätte man sich lieber sparen sollen.
«The Crow» ist seit dem 5. September im Kino zu sehen.
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