Soy Cuba Kuba, Sowjetunion 1964 – 140min.

Filmkritik

Salsa als Trauermarsch und Revolutionsfanfare

Filmkritik: Eduard Ulrich

40 Jahre nach seinem Entstehen kommt das sozialrealistische Drama über die kubanische Revolution in einer restaurierten Fassung zum ersten Mal ins Publikumskino. Es gibt gewichtige Gründe, sich die mehr als zwei Stunden "Soy Cuba" mit Vergnügen und Erkenntnisgewinn anzusehen. Der sowjetische Regisseur Mikhail Kalatozov ("Wenn die Kraniche ziehen") bietet viel guten Film fürs Geld.

Keine Frage: 40 Jahre sind an diesem Film nicht spurlos vorübergegangen. Das spröde Filmmaterial musste restauriert werden, und das sowjetische Agitationskino hatte im vermeintlich aufgeklärten Westen schon immer einen schweren Stand. Nicht von ungefähr: Vier Teile, die nicht direkt miteinander verknüpft sind, lenken den Blick auf die wesentlichen Aspekte der kubanischen Revolution: Die beiden ersten Teile sind den schlimmen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen gewidmet, der dritte dem revolutionären studentischen Milieu und der letzte dem Mobilisieren der Landbevölkerung, sich der Guerilla anzuschliessen.

Jede Episode ist auf wenige modellhafte Personen konzentriert, die Handlung auf das ideologisch Wesentliche vereinfacht, ohne dabei einfacher oder schwächer als der typische Hollywood-Schunken zu werden. Als am Ende vom zweiten Teil die Stimme Kubas fragt, wer für das immense Leid verantwortlich sei, wird auf eine Wochenschau umgeschnitten, deren Kommentar mit "Battista" die Antwort liefert. Das klingt jetzt plumper, als es im Film wirkt, denn gerade das liefert den Schlüssel zum Schatz des Vergnügens an dieser Perle. Sobald man die bittere ideologische Pille geschluckt hat, kann man sich am audiovisuellen Mahl laben, das eine einseitige, aber wahrhaftige Sicht auf die Ursachen der damaligen Misere bietet. Zwar wird in den spärlichen Dialogen und Kommentaren der klassenkämpferische Tarif im Klartext durchgegeben, die Botschaft zeigt sich aber vor allem im alltäglichen Handeln und Erleben der Personen, wodurch das heutige Publikum mitfühlen und mitfiebern kann.

Unter den Leckerbissen befindet sich auch eine brillante Hochhausscharfschützenszene, in der die moderne kubanische Architektur zur Komplizin der Regie wie des Revoluzzers wird, und die sich nicht hinter ähnlichen Szenen aus jüngeren Actionfilmen verstecken muss. Trotz des ideologischen Korsetts ist die Filmsprache nämlich nur abschnittsweise stark stilisiert. Kalatosow arbeitet neben den üblichen Mitteln mit verzerrenden Linsen, extremen Blickwinkeln, Handkamera und weiteren, teilweise experimentellen Mitteln, um eine beeindruckende und packende Spannweite an Stimmungen auszudrücken. Das hervorragende Spiel der Schauspieler komplementiert die ausgezeichnete Regie und Kameraführung, und an Luftaufnahmen und Massenszenen zeigt sich, dass kein Aufwand gescheut wurde.

Obwohl der Film einige Szenen enthält, die keinen Hehl aus ihrer Kritik an den USA und ihren Repräsentanten machen, zeigt er ihre typischen Verhaltensweisen auf verschiedenen sozialen Stufen bis hin zur Regierung. Er benennt damit einerseits die Ursachen für das rücksichtslose und widerrechtliche militärische, wirtschaftliche und kulturzerstörerische Ausbreiten der angloamerikanischen Macht und Lebensweise, das damals vor allem in Lateinamerika zu beobachten war. Andererseits zeichnet sich bereits die daraus entstehende Hegemonie ab, die alle anderen Völker und Regionen nur noch als Lieferanten zur Bedürfnisbefriedigung marginalisiert. Damit ist dieser hochpolitische Film auch brandaktuell.

26.01.2021

4.5

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