Das Fest Dänemark, Schweden 1998 – 105min.

Filmkritik

Hier wackelt mehr als die Kamera

Filmkritik: Theo von Daeniken

[Cannes 1998] Einen starken Auftritt hat das dänische Kino. Der Film "Festen" des jungen Regisseurs Thomas Vinterberg imponiert einerseits durch eine radikale Filmsprache, andererseits stellt Vinterberg zusammen mit seinem Kollegen Lars von Trier, der ebenfalls mit einem Beitrag im Wettbewerb vertreten ist, das Kino auf einer theoretischen Ebene in Frage.

Zusammen mit Trier hat Vinterberg 1995 die Gruppe "Dogma 95" gegründet und einen "Vow of Chastity" geschworen, der sich gegen die Illusion im Kino wendet. "Festen" wird im Vorspann als "Dogma Nr.1" angekündigt und unterliegt, zertifiziert durch die Autorengruppe, den engen Regeln, die sich die jungen Dänen im Namen der "Reinheit" des Kinos auferlegt haben.

Um die Demontage von Illusionen dreht sich auch die Geschichte von "Festen".Die eiserne, noch bei den schlimmsten Enthüllungen gewahrte, Fassade einer bürgerlichen Grossfamilie und ihr langsames und unwiderrufliches Zerbröckeln unter dem Druck der lange zurückgehaltenen Wahrheit ist das Thema, das Vinterberg in "Festen" aufgreift. Als müsste er den Vow of Chastity in den Film projizieren, wird Schicht für Schicht die Schminke über dem Familienleben der Hoteliersfamilie Klingenfeldt abgetragen.

Am 60. Geburtstag des Familienpartiarchen Helge Klingenfeldt (Henning Moritzen) entladen sich langsam die Spannungen, die die scheinbar intakte Familie innerlich zerrüttet und ihre Mitglieder psychisch zerstört und im Fall der Tochter Linda gar in den Tod getrieben haben. Der Sohn des Paschas, Christian (Ulrich Thomsen), entlarvt seinen Vater an einer ganz gewöhnlich beginnenden Tischrede. Ohne mit der Wimper zu zucken berichtet er den irritierten Gästen, dass Helge, ihn, seinen Sohn und seine Zwillingsschwester Linda jahrelang sexuell missbraucht hat. Helge dementiert, doch zum Schluss verliert er sein Gesicht. Auch Helges Frau verliert an enormer Glaubwürdigkeit. Für Vinterberg ist dabei das Thema nur der Anlass für die Demontage der Familienfassade. Er unterlässt bewusst eine moralisierende Wertung der Figuren, die allesamt ihre dunklen Seiten haben.

Dem Reinheitsgelübde entsprechend mit der Handkamera gefilmt und immer nahe an den Personen bleibend, zieht "Festen" den Zuschauer in das Geschehen hinein. Oft verliert die Kamera den Überblick, fühlt sich wie die Tischgesellschaft von den Ereignissen überrumpelt und wird Teil des Spiels. Die radikale Methode, mit der Vinterberg inszeniert, lässt den Film fast zur Dokumentation der Dreharbeiten werden, bei denen Vinterberg seine Schauspieler bedingungslos der Situation des Films aussetzt.

Der Film, bei den Kritikern auf viel Begeisterung gestossen, dürfte im kommerziellen Verleih einige Hindernisse zu überwinden haben. Nicht nur die ungewohnte Form, die neben den hochglänzenden, technisch ausgefeilten Hollywood-Produktionen, wie ein Amateur-Arbeit wirkt, dürfte ein breites Pulikum verwirren. Auch das Thema des Kindsmissbrauchs, obwohl sehr aktuell, wird insbesondere in den USA kaum ein gutes Verkaufsargument sein.

19.02.2021

4

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

direkt, dogmastil, hard.... die party vergesst man auch als zuschauer nicht


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