Filmkritik
Nächste Haltestelle: Kuba
Warten. Was in unserer Millisekundengesellschaft längst den Status einer Todsünde hat, gehört anderswo zum Alltag. Etwa in jener kleinen Busstation an einem der Enden Kubas, in der Filmemacher Juan Carlos Tabío seine Protagonisten auflaufen lässt. Eine vergnügliche Komödie, die wer will als Parabel auf das ganze Land sehen kann.
An Verspätungen einigermassen gewöhnt, tragen es die Passagiere anfangs mit Fassung und unterhalten sich mit ihren Geschichten gegenseitig. So möchte Jacqueline (Thaimi Alvariño) in La Havana ihren Verlobten treffen und zu ihm nach Spanien emigrieren, während der junge Ingenieur Emilio (Vladimir Cruz) auf dem Weg zu einer neuen Arbeit in Santiago ist. Als der Bus einfach nicht kommen will, wird die Stimmung in der etwas muffeligen Busstation langsam ungemütlich. Wie in allen Filmen Tabíos spaltet sich die Gruppe der Gestrandeten in die ewiggestrigen Bürokraten und jene, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und so immer mehr Leben in den unwirtlichen Wartesaal bringen. Wer will sich schon von einem Bus, der nicht kommt, das Leben versauern lassen?
Lista de espera reiht sich nahtlos in jene Filme ein, die Tabía zusammen mit dem 1996 an Krebs verstorbenen Thomás Gutiérrez Alea gedreht hat. Wie bereits Fresa y chocolate oder Guantanamera ist auch diese neuste Komödie gespickt mit Seitenhieben auf die Ambivalenz zwischen karibischem Savoir-vivre und der sozialistischen Bürokratie, die letztlich immer eine Schlappe kassieren muss. Und wer will, kann das, was in diesem tristen Wartesaal passiert, gerne aufblasen und auf ganz Kuba übertragen. Vielleicht war das sogar die Idee von Autor Arturo Arango, wir wissen es nicht. Was wir dagegen wissen, ist dass die Erdbeere Jorge Perugorría wieder mit von der Partie ist und in der clownesken Rolle des "blinden Passagiers" dem Film seinen Stempel aufdrückt.
Bei Tabía triumphiert einmal mehr die Lebensfreude über die Stolpersteinchen auf dem Weg zum Glück, und auch wenn es vielleicht allzu einfach erscheint, warum sollte es komplizierter sein? Lassen Sie doch einfach mal einen Bus vorbeifahren. Wer weiss, was beim Warten auf den nächsten alles passieren kann. Wer diesen Traum zu träumen nicht bereit ist, geht besser gar nicht erst ins Kino, sondern bleibt zu Hause und schaut sich die Tagesschau an.
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