Schnee, der auf Zedern fällt USA 1999 – 126min.
Filmkritik
Snow Falling on Cedars
"True Stories" aus den USA branden in Wellen an unsere Kino-Ufer. Doch erzählen sie meist nur das auf Hollywoodlänge und -verträglichkeit zurecht gestutzte Einzelschicksal einer mehr oder weniger prominenten Person (The Hurricane, Man on the Moon) oder einer Person mit schlechten Voraussetzungen (Boys Don't Cry). Scott Hicks' (Shine) neuer Film hält nun den Finger auf einen wunden Punkt in der jüngeren Amerikanischen Vergangenheit: Die Deportation und Diskriminierung der japanischstämmigen Bevölkerung während des 2. Weltkriegs.
"Snow Falling on Cedars" spielt wie der Bestseller von David Guterson auf einer fiktiven Insel an der Westküste. Dort haben die Anglo- und Japano-Amerikanische Gemeinschaft lange Zeit in relativ ungespanntem Verhältnis zusammen gelebt: Den japanischen Einwanderern war es aber versagt, Land zu besitzen, sie arbeiteten auf den Beerenplantagen der Angloamerikaner. Japans Angriff auf Pearl Harbour jedoch führte zu einer landesweiten regelrechten Paranoia vor allem und jedem, was asiatisch aussah. Nach 1942 wurde beinah die gesamte japanischstämmige Minderheit von der amerikanischen Westküste deportiert und in Konzentrationslagern eingepfercht. Es mangelte nicht an Profiteuren, die das Eigentum der Internierten usurpierten, und die nicht profitierten, schauten stumm und unverständig zu.
Mitte der 50er Jahre. Der Fischer Kazuo Miyamoto (Star-Model und Debütant Rick Yune) wird des Mordes angeklagt, nachdem sein Jugendfreund und Fischer-Kollege Heine, der nun das enteignete Land von Miyamotos Familie besitzt, bei seinem Fischerboot ertrunken aufgefunden worden ist. Das Gericht ist Miyamoto nicht gerade wohlgesinnt, doch Verteidiger Gudmundsson (Unvergleichlich: Grandseigneur Max von Sydow) kämpft unentwegt darum, dass der Prozess mit rechten Dingen von Statten geht. Miyamotos Chancen scheinen gering. Zu sehr ist der Hass gegen die Japanischstämmigen in der Bevölkerung verwurzelt. Vorurteile geben sich die Hand. Wäre da nicht Ishmael Chambers (Ethan Hawke), der Sohn des aufrechten Journalisten Chambers (Sam Shepard), der das Gewissen der Gemeinschaft vertritt und nach dem wahren Grund für den Tod des Fischers forscht, diesen zwar mit Leichtigkeit findet, jedoch erst nach langem Zögern publik macht. Durch die Konfrontation mit dem Prozess gegen Miyamoto wird Ishmael auf seine eigene Vergangenheit zurückgeworfen, und durchlebt in Rückblenden nochmals seine gescheiterte weil: verbotene Jugendliebe zu Hazue Miyamoto (Youki Kudoh), der Frau des Angeklagten.
Ethan Hawke (Reality Bites, Great Expectations) scheint sich in der Rolle des subtilen Zweiflers und introvertierten Intellektuellen wohl zu fühlen. Max von Sydow glänzt als altersschwacher aber feuriger und stimmgewaltiger Vertreter des Humanismus. Von Sydows Filmografie reicht ins Jahr 1949 zurück; Er spielte in verschiedenen Werken Sjöbergs und Bergmans, und ist vor allem als Father Merrin in The Exorcist (1973) bekannt. Die seit ihrem Lolita-Début in Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb in Japan zur Kultfigur avancierte Youki Kudoh (Mystery Train) zeigt für einmal, dass sie im Stande ist, eine Figur zu verkörpern, die weder hysterisch exaltiert noch verpennt teenagerhaft agiert - eben eine gewöhnliche junge Frau.
"Snow Falling On Cedars" ist trotz seiner historischen Relevanz in erster Linie ein grossartiges Kunstwerk. Die Kamera (Robert Richardson, Nixon, JFK, Natural Born Killers) fängt jede Nuance des Lichts ungemein gekonnt ein. Welcher Film hat je die Dämmerung und die Dunkelheit so schön wiedergegeben? Die Räume, die Gesichter der Menschen und die Natur werden sehr nah und vielschichtig empfunden. Sie vermögen, angenehm zu berühren in der Schilderung der zarten Jugendliebe, aber auch mit mit beklemmender Stille zu bedrücken in den eingestreuten historischen Rückblenden: hier wird wenig bis nichts gesprochen, zu wenig, als dass es einem dabei wohl sein könnte. Die Frage: "Hätte ich etwas gesagt?" drängt sich auf.
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