Stigmata USA 1999 – 103min.

Filmkritik

Die Wundmale der Hölle

Filmkritik: Martin Glauser

Der Jahrtausendwechsel war wenigstens auf der Leinwand von allerlei metaphysischen Erscheinungen begleitet. Es wimmelte von Geistern und Gespenstern, von Teufeln und von Toren, die zur Hölle führen. Jetzt mischt auch noch der Religionsstifter Jesus Christus im Horrorkabinett mit: Er steckt Patricia Arquette mit seinen Wundmalen an.

Während Gabriel Byrne vielleicht gerade im Saal nebenan noch als leibhaftiger Satan über die Leinwand schleicht, nämlich als Gegenspieler des teuflischen Schwarzeneggers in End of Days, durfte er sich für "Stigmata" von allen Insignien des Bösen wieder reinwaschen. Er spielt diesmal bei der andern Partei, nämlich einen Priester. Er ist Sonderbeauftragter des Vatikan, und seine Aufgabe besteht darin, in der Welt herumzureisen und all die Blut weinenden Madonnen als Fälschungen zu entlarven. Und zwar alle! Ja, der Vatikan ist ein grosser Lügenverein, wie wir schon in End of Days gelernt haben. Denn nicht alle katholischen Wunder sind getürkt.

In New York gibt es zum Beispiel eine Coiffeuse (Patricia Arquette). Das Wunder besteht weniger in ihrem grosszügigen Appartment, obschon sich eine Haarabschneiderin in Manhatten so etwas in der Regel nicht leisten kann. Sondern sie wird von den Wundmalen Christi befallen. Zuerst die an den Händen, dort wo Jesus mit Nägeln durchbohrt wurde. Den katholischen Religionsverwaltern fehlt der Glaube, denn die Frau ist eine bekennende Atheistin, und das Phänomen der Wundmale kommt nur gelegentlich bei tiefreligiösen Menschen vor. Wird es dem guten Pfaffen (Gabriel Byrne) gelingen, die Stigmatisierte vor dem virtuellen Kreuztod zu erretten?

Die Geschichte mischt kunterbunt alles zusammen, was sie sich aus den Regalen Religion/Esotherik und Grusel gerade greifen kann, ohne sich aus dem Sessel erheben zum müssen. Der Film präsentiert zum Beispiel wider alle theologische Vernunft das Phänomen der Stigmata als etwas, was via Reliquium übertragen werden kann wie etwa ein Schnupfen, und das in seinen Symptomen von der Teufelsbesessenheit schliesslich nicht unterscheidbar ist. Die Coiffeuse ist zwar vom heiligen Geist befallen, aber statt verzückt in religiöser Ekstase, wälzt sie sich in Fontänen von Blut und unsäglichen Schmerzen, greift mit teuflischem Bass und übermenschlichen Kräften den armen Priester an, so wie weiland Linda Blair ihren Exorzisten. Auch Gabriel Byrne gleicht in seiner Figur sehr dem Father Damian aus dem Horrorklassiker The Exorcist (1973); wie dieser ist er ein Skeptiker, hin- und hergerissen zwischen Glauben und Wissenschaft. Genau so geht es auch uns als Zuschauer: Wir sind bereit, an das unmöglichste System zu glauben, solange es sich nur ein bisschen Mühe gibt, die paar Regeln zu befolgen, die es ja sogar selber aufstellen durfte. "Stigmata" aber schert sich einen Dreck um die theologische Stringenz seiner eigenen Glaubenssätze, durch die Vermischung von dämonischer Besessenheit mit religiöser Gnade wird es geradezu blasphemisch, und Rupert Wainwright, der Regisseur mit dem satanistisch klingenden Namen, soll dafür ewig in der Hölle schmoren.

Am Ende gibt es eine von der Diskussion um die Qumran-Rollen inspirierte "Auflösung", die ich hier nicht preisgeben will, obwohl sie im Lauf des Films recht gut vorbereitet wird. Soviel sei verraten: Es geht um die wirklichen, die authentischen Worte des Jesus von Nazareth, deren Öffentlichmachung die katholische Kirche um jeden Preis verhindern will, weil sie dadurch ihre Existenz bedroht sähe. Aus gutem Grund, denn die wahren und echten Worte von Jesus sind von einer solchen Banalität, dass selbst die Freikirchler zum Islam konvertieren müssten, würden sie publik.

Und auch die frommsten Kinogänger würden bei "Stigmata" wohl ihren Glauben verlieren, wäre da nicht Patricia Arquette, deren blosse Existenz eigentlich eine Art Gottesbeweis darstellt. Seit Lost Highway ist sie heilig gesprochen. Und es sieht einfach gut aus, wenn ihr zuckender Körper von Gott durchdrungen wird.

01.06.2021

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Kommentare

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oliver_kramuschke

vor 8 Jahren

Blödsinner B-Movie, der versucht mit diversen Clip-Art Einschüben und rasanten Schnitten und Einstellungen Spannung zu erzeugen. Das täuscht aber nicht über den langweiligen und unglaubwürdigen Plot rund um Stigmata bzw. Religion vs. empirische Wissenschaft hinweg. Auch die Darstellung des Vatikans wirkt allzu schemenhaft und klischeebezogen. Auch können die Darsteller nicht überzeugen. Oliver KramuschkeMehr anzeigen


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