Romeo Must Die USA 2000 – 115min.
Filmkritik
Prügelei statt Poesie
In einer sehr freien Adaption von Shakespeares "Romeo und Julia" hetzt Regisseur Andrzej Bartkowiak den Hong Kong Star Jet Li durch die Strassen Oaklands. In seiner ersten grossen englischsprachigen Rolle sucht dieser nach den Mördern seines Bruders. Wo sich ihm Verständigungsprobleme und böse Jungs in den Weg stellen, lässt der asiatische Romeo die Handkanten sprechen.
In Oakland herrscht Krieg. Asiatische und afroamerikanische Gangs kämpfen um die Vorherrschaft im Hafenviertel. Die Keilereien und Drohgebärden fordern ein prominentes Opfer: Po (Jon Kit Lee), der Sohn des chinesischen Clanchefs Ch�u Sing (Henry O), hängt eines Morgens mit einer Kugel im Kopf an einem Laternenpfahl. Davon erfährt Pos Bruder Han (Jet Li), ein Ex-Polizist, der im fernen Hong Kong im Gefängnis sitzt. Han fackelt nicht lange, verprügelt ein halbes Dutzend Wärter und bricht aus dem Knast aus, um in Amerika nach Pos Mördern zu suchen. Kaum in den Vereinigten Staaten, begegnet Han auch schon seiner Julia. Wie es Shakespeare will, ist Trish (Sängerin Aaliyah) die Tochter von Isaak O�Day (Delroy Lindo), seines Zeichens Boss der afroamerikanischen Gangs. Zusammen versuchen der asiatische Sohn und die schwarze Tochter, hinter die undurchsichtigen Morde zu kommen, die immer mehr Opfer auf beiden Seiten fordern.
Mit dem Thema der verfeindeten Familien, deren Sprösslinge zusammenfinden, hört die Ähnlichkeit zur klassischen Romeo und Julia Geschichte aber schon sehr bald auf. Anders als Baz Luhrmanns zeitgenössische Adaption von 1996, wo ebenfalls ballernde Gangs die mittelalterlichen Fehdefamilien ersetzten, schert sich die Story von "Romeo Must Die" herzlich wenig um Shakespeares Vorlage. Während damals Leonardo Di Caprio noch die Originaltexte auswendig lernen musste, kann sich Jet Li auf simplere Dialoge beschränken.
Sein Fachgebiet sind die Kampfszenen, die in Anlehnung an den temporeichen Hong Kong-Stil inszeniert sind. Li kämpft an den Beinen aufgehängt von der Decke baumelnd, bei Fackelschein im chinesischen Garten und mit Partnerin Trish im Pas de deux. Als wenn das nicht schon spektakulär genug wäre, erinnert sich Produzent Joel Silver an seine Arbeit an The Matrix und trumpft mit ungewöhnlichen visuellen Effekten auf: Dem lästigen Problem, dass der unkundige Zuschauer beim Kung Fu nie weiss, welche Knochen denn der jeweilige Tritt beim Gegner bricht, setzt Silver Echtzeit-Röntgenaufnahmen entgegen. So lassen sich Todesursachen anatomisch nachvollziehen und die verheerende Wirkung asiatischer Kampfkunst wird genaustens dokumentiert. Über die Notwendigkeit dieser Einsprengsel lässt sich allerdings streiten.
Es ist Bartkowiak anzurechnen, dass er kein simples Schwarz-Weiss-Bild zeichnet, sondern die Charaktere sorgfältig entwickelt und die kulturellen Unterschiede und verschiedenen Rituale der schwarzen und asiatischen Gemeinschaften näher betrachtet. Trish und Han werden glücklicherweise nicht als leidenschaftliches Liebespaar inszeniert. Die Glaubwürdigkeit wäre wohl auf der Strecke geblieben. Leider fehlt dann aber "Romeo Must Die" in den längeren Passagen ohne Actionszenen oft der Zug in der Handlung. Die Spannung fällt ab und lässt gelegentlich hoffen, dass Jet Li bald wieder einen Grund zum Kämpfen serviert bekommt.
Li, der in Asien zur ersten Garde der Martial Arts Schauspieler gehört, machte in Amerika als Bösewicht in Lethal Weapon IV zum ersten Mal ein breites Publikum auf sich aufmerksam. "Romeo Must Die" ist seine erste grosse englischsprachige Rolle. Den Zuschauern wird er aber wohl kaum wegen der Dialoge in Erinnerung bleiben, sondern wegen seiner perfekten Körperbeherrschung.
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