Songs from the Second Floor Dänemark, Norwegen, Schweden 2000 – 91min.

Filmkritik

Klagelied der Gegenwart

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

Knapp 50 Bilder benötigte der schwedische Regisseur Roy Andersson, um uns den Spiegel der Zeit vorzuhalten. Eigenwillig, fernab jeglicher Erzählkonventionen konzentrierte er sich auf Motive anstelle einer Handlung und erschuf damit ein unvergleichliches Meisterwerk.

Natürlich ist jedes Meisterwerk unvergleichlich in seiner Art, doch "Songs from the Second Floor" liegt, was Form und Inhalt anbelangt, weit über dem Niveau des zeitgenössischen Films, und beweist dass die Grenzen des Kinos noch nicht erreicht sind.

Zum besseren Verständnis: Roy Andersson konfrontiert uns mit 46 oft statischen Szenenbildern, welche in blasse, teils extrem kontrastlose Farben getaucht sind. Inhaltlich dominiert werden diese Bilder von der Misere der heutigen Gesellschaft: Arbeitslosigkeit, Misswirtschaft, skrupellose Geschäftemacherei, Lobbyismus, Monopolismus und nicht zuletzt von Götzenbildern und der Kommerzialisierung alter Glaubensrichtungen.

Niemand kommt ungeschoren davon. Klerus, Politiker und Ökonomen, sie alle hält Andersson (zu Recht) für den Wertverlust und die geistige Depression der westlichen Welt verantwortlich. Eine Erkenntnis, zu der man vielleicht schon vor dem Besuch dieses Films gekommen ist, doch "Songs from the Second Floor" verstärkt das Gefühl einer festgefahrenen, im Stau steckenden Welt (ebenfalls ein Motiv aus Anderssons Bildern), deren unsensibles Verhalten nur noch durch das Aufkeimen von Unschuld und Hoffnung entwirrt werden kann.

Andersson hat sich im Verlaufe des letzten Vierteljahrhunderts im Werbebereich einen Namen gemacht, und in dieser Sparte so ziemlich jeden Preis erhalten, den die Branche zu vergeben hat. Gleichzeitig gründete er in Stockholm eine Produktionsfirma, die ihm mit Studioeinrichtungen und Nachproduktions-Möglichkeiten eine Autonomie verschaffte, welche es ermöglichte "Songs from the Second Floor" bis ins kleinste Detail zu planen und nach eigenem Zeitplan zu inszenieren.

So ist der Film das unverkennbar persönliche Statement eines Mannes mit einer stark pessimistischen Weltanschauung, die inmitten unserer alltäglichen Hektik zu einem Klischee verkommen ist. Ja, es läuft einiges schief, aber hey, da ist ja bereits der nächste Trendzug, auf den man aufspringen könnte. Wieso also über die Fehler und Probleme oder gar Lösungen nachdenken, wenn die alternativen Ablenkungen viel spannender und farbiger sind? Doch die Zukunft kennt keine Marke, man wirbt es uns zwar vor, doch sie ist so unberechenbar wie der Mensch selbst. Und opfern wir gedankenlos alles für den nächsten Hype, wird sowohl der Mensch wie auch seine Zukunft nichts weiter sein als ein Sticker mit einem buntem Logo, leicht abwaschbar.

07.03.2022

4

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Kommentare

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uhbichsel

vor 22 Jahren

Perfekte Aesthetik


tl85

vor 23 Jahren

dieser film ist wirklich von a bis z durchgedacht. eine seltenheit. was mir mühe machte waren die toten bilder. ein wenig bewegung hätte nicht geschadet. schade, dass dieser film nicht besser herauskam.


tl85

vor 23 Jahren

zu steif und trocken!


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