Der Schneider von Panama Irland, USA 2000 – 118min.
Filmkritik
Ein Spion in Panama
Man nehme ein Buch von John le Carré, setze ein 'tapferes Schneiderlein' (Geoffrey Rush) in ein kleines Land und konfrontiere es mit einem Anti-Bond (Pierce Brosnan). Dann mische man das Ganze mit "Ali Baba und die 40 Räuber", versehe den Mix mit 'Waschsalons' und 'Kokaintürmen' (Alternative: Korruption und Intrigen), würze das explosive Gemisch mit Satire und fertig ist die Lügengeschichte von John Boorman, die bald als komische, bald als gefährliche Farce daher kommt.
Das narzistische Ekelpaket Andy Osnard (Pierce Brosnan) steht kurz vor dem Ende seiner Spionagekarriere, als er nach Panama abgeschoben wird. Eigentlich gibt es in dem kleinen Land, das einst Atlantik und Pazifik, Nord und Süd, respektive Reich und Arm trennte, nichts mehr zu spionieren. Längst sind 'Regimekritiker' wie Mickie Abraxas (Brendan Gleeson) oder 'geistige Führerinnen' wie Marta (Leonor Varela) von den Schlägern von Ex-Diktator Noriega in ihre Schranken verwiesen worden. Noriegas Methoden haben in den - nicht nur von Alkohol - gezeichneten Gesichtern Spuren hinterlassen. Der Diktator wurde vertrieben, die Demokratie konnte sich etablieren und nach der Rückgabe des Kanals hat sich die politische Lage Panamas vollends beruhigt. Nichtsdestotrotz will Osnard nach altbewährter Art herumspionieren. Da kommt ihm der englische 'Upper-Class'-Schneider Harry Pendel (Geoffrey Rush) mit dubioser Vergangenheit gerade recht. Dieser liefert nicht nur 'Massgeschneidertes', viel versprechend ist auch seine Ehe mit der amerikanischen Ingenieurstochter Louisa Pendel (Jamie Lee Curtis). Dank dieser Kombination erhofft sich Osnard via Pendel an 'heisse' Informationen heranzukommen. Gesagt, getan! Der herzensgute Schneider mit dem schlitzohrigen Antlitz und der blühenden Fantasie tischt 'Mr. Cool' Osnard die verrücktesten Geschichten auf, bis diese in einer korrupten, habgierigen, auf Verschwörungstheorien anfälligen Gesellschaft ausser Rand und Band geraten.
Da waren zwei Altmeister am Werk. Zum einen ist hier von John le Carré die Rede, einem Meister der Spionageromane, dem auch nach dem Kalten Krieg die Stoffe nicht ausgegangen sind. Denn, wie er selber in einem Essay argumentiert, spielen sich Intrigen und Korruption, Reichtum und Eigennutz nicht nur in den politischen Gefilden ab. Zum anderen ist hier von John Boorman die Rede, der den geistreichen Stoff in Zusammenarbeit mit seinem Namensvetter aufbereitet. Dabei bringt er die cinéastische Gratwanderung zwischen Gesellschaftskritik, Komödie und Drama professionell auf die Leinwand, so dass diese differenzierte Lügengeschichte in 'nur' rund 100 Minuten in sich geschlossen wirkt und weder ins Absurde noch ins Lächerliche abrutscht. Zudem zeigte Boorman eine erfahrene Hand in der Wahl der Protagonisten. Fühlte sich das (weibliche) Publikum vom smarten 007 der Neunziger Jahre angezogen, so wird es in diesem Film eines Besseren belehrt. Der alternde und selbstsüchtige Osnard ist Brosnan entweder auf den Leib geschrieben oder er spielt seine Rolle einfach sensationell gut. Genau dasselbe gilt für den Oscarpreisträger Geoffrey Rush. Seine schlanke, ein wenig hagere Figur mit dem sympathischen Gesicht und dem Schalk in den Augen lässt den lieben Gauner, Hochstapler und Schneider erahnen, der mit seinem Können, Geist und Witz die High Society umgarnt (übrigens ein schon lang bewährtes Sujet in der Literatur). Oder gilt am Ende doch: "Kleider machen Leute" ?
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