Filmkritik
Wenn die Toten über die Lebenden herrschen
April 1910. In der Prärie des brasilianischen Hinterlandes weht ein blutbeflecktes Hemd im Wind. Es gehörte dem ältesten Sohn der Breves Familie, dem bisher letzten Opfer einer sinnlosen Fehde zweier Grundbesitzer. Denn seit Jahren bekämpfen sich die Familen der Breves und der Ferreiras im Krieg um ein Stück Land. Keiner weiss mehr, wer zuerst die Besitzer waren. Aber immer sind Menschen dafür gestorben. Langsam, einer nach dem anderen. Es sind diese Toten, die hier das Leben bestimmen.
Die Breves leben vom Zuckerrohr, dass sie in der kargen Landschaft selber verarbeiten. Doch seit der Abschaffung der Sklaverei Ende des 19. Jahrhunderts sind sie verarmt. Die fallenden Preise für Zuckerrohr ermöglichen ihnen kaum mehr ein Überleben, während die Ferreiras als Viehzüchter von den Zeichen der Zeit profitieren und es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben. Während im Verlauf der Zeit für die Ferreieras das Wechselspiel des gegenseitigen Mordens zum Ritual wurde, ist für die mittellosen Breves die Ehre zum alles verzehrenden Mittelpunkt ihrer Existenz geworden.
Als Tonho Breves von seinem Vater den Befehl erhält, den Mörder seines älteren Bruders umzubringen und damit dessen Tod zu rächen, weiss er, dass sein Leben von diesem Moment an geteilt sein wird in die 20 Jahre, die er bereits erlebt hat und die kurze Zeit, die ihm noch bleiben wird.
Die Breves werden der Beerdigung des Verstorbenen beiwohnen und Tonho wird den Familienältesten der Ferreiras um Waffenruhe bitten. Diese wird ihm gewährt werden bis zum nächsten Vollmond, so will es das Ritual. Die Gesetze der Rache verlangen, dass er anschliessend von einem Mitglied der Ferreiras umgebracht wird. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die Bilder der Toten an den Wänden sind Zeuge.
Doch mit einer neuen Generation entstehen erstmals Risse in den harten Ritualen. Tonhos kleiner Bruder Pacu ist nicht mehr bereit, auch seinen zweiten Bruder einem Krieg zu opfern, dessen Ursprung er nicht mehr nachzuvollziehen vermag. Und Tonho selber, angetrieben von Pacus Zweifeln, beginnt am Sinn seines Todes zu zweifeln, als er sich in die Zirkuskünstlerin Clara verliebt.
Regisseur Walter Salles wurde bei uns bekannt durch seinen vielfach ausgezeichneten Film "Central Station". Und ähnlich wie seinem früheren Film liegt auch "Behind The Sun" eine an sich einfache Geschichte zugrunde. Doch während "Central Station" durchwegs von einer leisen Hoffnung geprägt war, beschränkt sich Salles in seinem neuen Film auf die karge Darstellung einer Gesellschaft, die seit Generationen nach ihren eigenen Gesetzen lebt und bereit ist, für den Preis der Ehre notfalls jedes einzelne ihrer männlichen Familienmitglieder zu opfern.
Inspiriert vom Roman "Broken April" des albanischen Schrifstellers Ismail Kadarés ist "Behind The Sun" eine Mischung zwischen griechischer Tragödie und Western mit unübersehbaren Parallelen in die heutige Zeit. Dabei widerspiegeln die faszinierenden Bilder, die Walter Salles zusammen mit seinem Kameramann Walter Cavalho gefunden hat, eine Traurigkeit , die einen auch nach dem Abspann nicht so einfach loslässt.
Dein Film-Rating
Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 22 Jahren
Diese drei Stichworte sagen die Filmkritik.
gut: Der erste Teil des Films ist nicht so "gut", der zweite dafür doppelt so "gut".
speziell: Die Landschaft ist schon sehr "speziell" und sie muss einem schon gefallen, wenn man den Film mögen will.
Ich finde, die Landschaft hat sehr viel mit dem Film zu tun.
gute Darsteller: Der junge Mann sieht gut aus und hat einen unvergesslichen Ausdruck! Da wäre aber noch die andere "gute Darstellerin", die Frau vom Zirkus sieht gut aus und ist hinreissend.
Fazit: Da hat Arthur Cohn wiedereinmal ein gutes Näschen gehabt. Hoffentlich bekommt er einen weiteren Oscar für diesen guten,speziellen mit guten Darstellern gespickten Familiendrama.… Mehr anzeigen
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