Das Experiment Deutschland 2001

Filmkritik

Experiment ausser Kontrolle

Filmkritik: Pascal Lüthi

"Versuchspersonen gesucht. 4000 DM Verdienst für ein vierzehntägiges Experiment in einem Scheingefängnis." Im Kinodebüt von TV-Regisseur Oliver Hirschbiegel lassen sich 20 Freiwillige - unter ihnen Moritz Bleibtreu ("Lola rennt") - auf ein unberechenbares sozialpsychologisches Experiment ein. Was ein harmloser und leichter Nebenverdienst zu werden versprach, steigert sich in eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmass.

Taxifahrer und Ex-Journalist Tarek wittert eine grosse Story als er die Anzeige für ein zweiwöchiges Experiment in der Zeitung liest. Zusammen mit 19 weiteren Freiwilligen nimmt er am Vorstellungsgespräch teil. Schon die begleitenden wissenschaftlichen Tests lassen erahnen, was auf die Unwissenden zukommt. Die Versuchspersonen werden nach Versuchsanordnung willkürlich in Wärter und Gefangene aufgeteilt. Die Wärter sind verpflichtet für Ordnung zu sorgen, da das Experiment sonst wissenschaftlich keinen Sinn macht. "Sie spielen keine Wärter, sie sind jetzt Wärter". Wie Recht der Versuchsleiter damit hat, wird sich für die Beteiligten später herausstellen. Anfangs ist die Stimmung im Knast ausgelassen, man versucht sich das Leben nicht unnötig schwer zu machen. Doch nach einer ersten Rüge des leitenden Forschers greifen die Wärter zum ersten Mal durch. Die Versuchspersonen spielen mehr und mehr die ihnen zugeteilten Rollen. Mit der gewonnen Macht kommen die Wärter auf immer perfidere Ideen, wie sie den Gefangenen Zucht und Ordnung einimpfen können. Bald zeigen sich ihre wahren Gesichter, und das Experiment entwickelt eine unaufhaltsame Eigendynamik.

"Das Experiment" ist ein Psycho-Thriller der Sonderklasse. Ein dramaturgisch perfekt aufgebautes Kinoerlebnis. In ähnlicher Weise wie vor einem knappen Jahr "Cube" mit zwischenmenschlichen Konflikten zu schocken vermochte, erzeugt dieser Thriller eine sich stetig steigernde Beklemmung, die noch nie in dieser Form auf der Leinwand zu sehen war - zumindest nicht in einer deutschen Produktion. Der deutsche Film, der im Thriller-Genre bis anhin in einem scheintoten Zustand verharrte, kann offenbar doch Grosses vollbringen. Ungewöhnlich daran ist: das Ensemble (inklusive Regisseur Hirschbiegel) setzt sich mit Ausnahme von Moritz Bleibtreu und Christian Berkel ("Rossini") mehrheitlich aus Leuten mit TV- und Theatererfahrung zusammen. Gerade diese Tatsache sorgt für die nötige Authentizität. Für den Zuschauer spielt nämlich im Hinterkopf immer die Tatsache mit, dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruht: 1971 führte ein wissenschaftliches Team der Stanford Universität ein ähnliches Experiment durch. Nach sieben Tagen musste es wegen starker Depressionen, Angstzuständen und Persönlichkeitsverlust bei den Gefangenen abgebrochen werden.

Mit der Besetzung von Bleibtreu in der Rolle des Tarek beweist der Regisseur Mut, denn ein "Star" zieht zwar das Publikum an, kann aber durchaus auch dem Film die ach so wichtige Glaubwürdigkeit nehmen. Bleibtreu meistert seine schwierige Figur mit Bravour.

Die beiläufig erzählte Nebenhandlung ausserhalb des Scheingefängnisses ist zwar für die Geschichte und die Dramaturgie unabdingbar, doch ist sie zu dürftig und abstrakt inszeniert. Ein weiteres störendes Element ist die Hightech-Brille, mit der Tarek das Geschehen im Inneren des Scheingefängnisses aufzeichnet. Das Gadget im Bond-Stil trägt in keiner Weise etwas zur Authentizität bei und ist deshalb fehl am Platz.

Dieser Thriller ist nichts für Leute mit schwachen Nerven. Und auch Freunde des volkstümlichen Schlagers werden sich mit den unbarmherzigen Foltermethoden der Wärter nicht einverstanden erklären können.

28.11.2012

4

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

recht originelle horror, maal was anderes als blair witch


mogo

vor 18 Jahren

Extrem spannend und krass, zu was Menschen in Gruppen und unter Druck fähig sind!


joscuffil

vor 22 Jahren

unheimlich spannend und richtig gute idee


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