Filmkritik
Langweilige Reise
Ausgestattet mit Zelt, Kochzeug, Moskitonetz und vor allem einer Bibliothek machen sich zwei Frauen 1939 auf gen Osten. Beide stammen aus besseren Kreisen und wissen nicht so recht, was mit ihrem Leben anfangen. Jede hat ein anderes Tal in Afghanistan als Ziel, keine erreicht es.
Die Namen der Reisenden sind Annemarie Schwarzenbach (gespielt von Jeannette Hain) und Ella Maillart (Nina Petri). Die Reise ist historisch verbürgt. Dass sie so problemlos über die Bühne ging wie uns dies das Regie-Duo Fosco und Donatello Dubini weis machen wollen, darf bezweifelt werden.
Annemarie Schwarzenbach fasziniert seit ihrer Wiederentdeckung in den achtziger Jahren die Schweiz. Die Tochter aus besserem Hause, Enkelin von General Wille, Freundin von Klaus und Erika Mann, Diplomatengattin und offene Lesbe, vereinte die Widersprüche ihrer Zeit in sich und ging an ihnen zu Grunde. Ihre androgyne Schönheit wurde auf vielen Fotos festgehalten und bekannter als ihre literarischen Texte. Offensichtlich liessen sich auch Fosco und Donatello Dubini von der ungewöhnlichen Biographie gefangen nehmen. Sie konzentrieren sich auf einen kurzen Ausschnitt aus ihrem Leben: Ihre vierte und letzte Reise nach Afghanistan, die sie gemeinsam mit der Abenteuerin Elle Maillart unternahm, und die in dem Buch „Das glückliche Tal“ ihren Niederschlag fand.
Die Reise liefert den malerischen Hintergrund für den Film. Die baumlose Wüstenlandschaft aus Sand und Stein gibt grandiose Aufnahmen her. Umso uninteressanter ist, was im Vordergrund geschieht. Wenn die Reise am Schluss durch den Ausbruch des zweiten Weltkriegs unterbrochen wird und die beiden Frauen getrennte Wege weitergehen, fragt Ella Maillart sich und Annemarie Schwarzenbach: „Warum liebe ich dich bloss so sehr?“ und im Publikum wundert man sich, was man denn hier verpasst hat; ausser einigen abgewiesenen Annäherungsversuchen von Seiten Annemarie Schwarzenbachs bekommt man von dieser Liebe, und überhaupt von dem, was in den beiden Frauen vorgeht, wenig mit. Gerüchteweise ist zu vernehmen, dass Maillarts Familie mit Klagen gedroht haben, wenn die lesbische Liebe im Film zu deutlich würde.
Da erwartet man denn, dass die Reise ausser schönen Landschaften noch etwas mehr hergibt – und wird enttäuscht. Schwierigkeiten, die sich hie und da ergeben, zum Beispiel ein Auto, das den Geist aufgibt, ein Grenzwächter, der sie nicht einreisen lassen will, ein Schäfer, der Maillart angreift – alle diese Probleme werden im Handumdrehen gelöst.
Es gehe „um Freundschaft und Beziehung und um die Erfahrung in der Fremde mit sich selbst auf dem Hintergrund der politischen Situation 1939 in Europa und dem Orient“ ist den Presseunterlagen zu entnehmen. Dieses Ziel wurde eindeutig nicht erreicht; weder werden die Frauen als Persönlichkeiten interessant, noch kriegt man wirklich mit, was zwischen den beiden abläuft. Und die Landschaftsaufnahmen halten das Interesse auf die Dauer auch nicht wach.
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