Monster's Ball Kanada, USA 2001 – 111min.
Filmkritik
Spiel mir das Lied vom Tod
Das Schweizer Regietalent Marc Forster setzt zur Eroberung der Heimat an: Sein mehrfach oscarnominiertes Südstaatendrama "Monster's Ball" mit Billy Bob Thornton und Halle Berry ist ein grossartiges Stück Kino.
Maximilian Schell, Arthur Cohn, Xavier Koller, H.R. Giger: Die in die Annalen von Hollywood eingegangenen Schweizer kann man an einer Hand abzählen. Nichts Neues im Westen? Der junge Regisseur Marc Forster tritt den Gegenbeweis an: Sein Independent-Movie "Monster's Ball" wird mit euphorischen Kritiken nur so überschüttet und ist in zwei Kategorien für einen Oscar nominiert. Tatsächlich verdient "unser Mann in Hollywood" (DAS MAGAZIN) unsere volle Aufmerksamkeit. "Monster's Ball" ist ein verdammt guter Film, der im Grunde aber wenig mit den üblichen Oscar-Verdächtigen gemein hat. Ungeschminkt, nachdenklich und leise ist "Monster's Ball" - das sind nicht unbedingt Attribute, die ein Film mitbringen muss, um sich im System Hollywood zu behaupten, geschweige denn um Academy Awards abzugrasen.
Irrfahrt eines Drehbuchs
Es darf als Glücksfall bezeichnet werden, dass der 31-jährige Forster zum Drehbuch von "Monster's Ball" gekommen ist. Fünf Jahre lang wurde das nun oscarnominierte Skript der jungen Schauspieler Milo Addica und Will Rokos herumgereicht: Sean Penn und Oliver Stone waren als Regisseure im Gespräch, für die männliche Hauptrolle bekundeten zeitweilig Tommy Lee Jones und Robert de Niro ihr Interesse. Nach dieser Odyssee durch Tinseltown landete das Drehbuch schliesslich bei der Independent-Produktionsfirma Lion's Gate. Und gelangte so in die Hände von Forster, der aufgrund seines am Sundance Festival prämierten Familiendramas "Everything put together" unter Vertrag genommen wurde.
Emotional und wortkarg
Ist das Rokos/Addica-Drehbuch bei Forster auf fruchtbaren Boden gefallen, so hatten Halle Berry und Billy Bob Thornton als Schauspieler mindestens ebenso grossen Anteil am Gelingen von "Monster's Ball": Während Berry mit einer an emotionalen Heftigkeit kaum zu überbietenden Leistung brilliert und als ernst zu nehmende Anwärterin auf den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gilt, überzeugt Thornton nach "The Man Who Wasn't There" erneut in der Rolle des einsilbigen Schwerenöters: Wie bei Humphrey Bogart verschmelzen markante Gesichtszüge und unauffälliges Mienenspiel zur stillen, aber unvermindert charismatischen Performance.
"Monster's Ball" - das ist das Henkersfest, die Abschiedsparty, welche den Todestrakt-Insassen am Abend vor ihrer Hinrichtung zuteil wird. Lawrence Musgrove (Sean "Puff Daddy" Combs) wird nach Jahren der Haft im Bundesstaat Georgia auf den elektrischen Stuhl geschickt. Während seine Frau Leticia (Halle Berry) und Sohn Tyrell (Coronji Calhoun) daheim auf einen letzten Anruf warten, treffen der Strafvollzugsbeamte Hank (Billy Bob Thornton) und dessen Sohn Sonny (Heath Ledger) die Vorbereitungen für Musgroves Hinrichtung.
Menschliches auf Zelluloid
"Monster's Ball" erzählt, wie sich die Wege zweier Menschen auf der Schattenseite des Lebens kreuzen und wie es ihnen dabei gelingt, Rassenschranken und Einsamkeit zu überwinden. Gewiss: So eine Story läuft leicht Gefahr, zum Südstaaten-Rührstück verkitscht zu werden. Doch obschon "Monster's Ball" ein hochemotionales Drama ist, spüren wir nichts von einem rosaroten Filter. Dagegen gewährt uns Forster mitunter aufwühlende Einblicke in die seelische Befindlichkeit der Protagonisten. Etwa wenn Roberto Schaefers Kamera Leticia und Hank dabei zusieht, wie sie sich schier bis zur Besinnungslosigkeit lieben, so wie sich zwei Menschen eben lieben, wenn sie Jahre nicht mehr geliebt haben. Die Linse hockt im Wandschrank im Zimmer nebenan, schwebt im Käfig des Kanarienvogels: sie vermittelt uns Intimstes als distanzierte Beobachterin.
Letztlich ist "Monster's Ball" ein zutiefst humanes Werk. "Nur ein Mensch kann einen Menschen wirklich sehen." heisst es irgendwann im Film. Marc Forster hat das Menschliche, die "condition humaine", auf der Leinwand fassbar gemacht.
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