Filmkritik
Am Fundament des Wohlstands
Vom dreckigen Geschäft mit Fremden und Fremdem. Regisseur Stephen Frears beleuchtet in einer Mischung aus Thriller und Sozialstudie die dunkle Unterseite der Londoner Gegenwart.
"My Beautiful Laundrette" hiess Stephen Frears' inzwischen 17-jähriger Kinoerfolg, in dem er die Geschichte eines von Einwanderern geführten Kleinbetriebs in der Thatcher-Aera beschrieb. Nun sind erneut Grossbritanniens Immigranten in seinem Fokus - diejenigen Menschen, welche die Dienstleistungen einer Grossstadt aufrechterhalten, aber nie wahrgenommen werden und die gar bereit sind, ein Organ zu verkaufen, um ein anderes Leben führen zu können.
Die Lebensgrundlage des Exil-Nigerianers Okwe (Chiwetel Ejiofor) in der britischen Metropole ist es, sich derjenigen Dinge anzunehmen, die niemanden etwas angehen wollen. Er pickt tagsüber Ankömmlinge am Flughafen auf, die kein offizielles Taxi mehr bekommen haben, kümmert sich um die Geschlechtskrankheiten seiner Taxifahrer-Kollegen und sorgt sich gar um eine Leiche, als er bei seiner nächtlichen Beschäftigung als Hotelportier in einem Klo ein menschliches Herz entdeckt.
Im Hotel-Business gehe es um Fremde und deshalb seien Okwe die Hände gebunden - so räsoniert sein Vorgesetzter Señor Juan (Sergi López). Geheimnisse gehören zum Geschäft. Man würde einen Schwarzafrikaner höchstens des Mordes verdächtigen und ausweisen. Als aber seine Liebste, die türkische Asylbewerberin Senay (Audrey Tautou), keinen andern Ausweg sieht, als ihre Niere an die "zivilisierte Welt" zu verkaufen, um dadurch in einen legalen Status aufzusteigen, sieht sich Okwe zum Handeln gezwungen.
Wie auch in Lukas Moodysons "Lilja 4-ever" bildet eine anonyme, in gleissendes Neonlicht getränkte europäische Stadt den Hintergrund für einen äusserst vielschichtigen und intelligenten Gegenvorschlag zu einer filmischen Wohlfühl-Veranstaltung.
Doch Frears’ Werk ist keine düstere Sozialstudie, sondern ein Thriller inklusive glaubhafter Liebesromanze mit einer ganz besonderen Art von schwarzem Humor. Dabei findet er sogar wiederholt Gelegenheit, ein besonderes Auge für "Nebensächliches" zu beweisen. So sind kleinere Rollen wie die des Callgirls Juliette (Sophie Okonedo), des russischen Pförtners Ivan oder diejenige von Okwe's Freund Guo Yi (Benedict Wong) nicht weniger pikant als die der beiden Hauptcharaktere. Mit Nationalitäten-Klischees wird auf charmanteste Art und Weise gespielt.
"Dirty Pretty Things" ist ein Film, der alleine durch seine Geschichte und eine grandiose multikulturelle Besetzung zu überzeugen vermag - weitere Schnörkel sind überflüssig. Audrey "Amélie" Tautou als türkische Asylsuchende zu sehen, ist anfänglich gewöhnungsbedürftig, doch erneut herzerweichend. Aber auch Sergi López ("Harry, un ami qui nous veut du bien") und Sophie Okonedo's Auftritte sind atemberaubend. Sie alle ermöglichen es, jene unschöne Realität auf der Leinwand erträglich zu machen.
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Kommentare
.. die geschichte lässt einen die Seiten wechseln - wo wir doch normalerweise einfach wegschauen, kann einen die Geschichte nicht loslassen, und man sieht hinter die Mauern, was dort passiert, wo wir es nicht erwarten oder nicht erwarten wollen.
Absolut überwältigend und ergreifend, aber trotzdem kinotauglich; kann ich nur empfehlen!… Mehr anzeigen
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