Spider Kanada, Frankreich, Grossbritannien 2002 – 98min.

Filmkritik

Der andere englische Patient

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Ja, "Spider" ist die Geschichte eines Mordes. Ja, es gibt ein Geheimnis um den Mörder, und ja, das Geheimnis wird zum Schluss gelöst - allerdings höchst unkonventionell, schliesslich heisst der Regisseur David Cronenberg.

Für Filmproduzenten, Verleiher und Kinobetreiber muss der Kanadier David Cronenberg ein veritabler Albtraum sein. Wie verkaufe ich in einer Zeit, wo Hollywood Überraschungslosigkeit als Qualitätsmerkmal feiert, Filme, in welchen nicht weniger als das Unerwartete erwartet werden darf? Wie verkaufe ich ein Werk wie "Crash", wo Autounfälle als bewusstseinserweiternder Akt gepriesen werden? "Naked Lunch", wo Paranoia zum Gestaltungsprinzip erhoben wird? "eXistenz", der die Aufgabe der Realität zugunsten der Wirklichkeit eines Videogames postuliert? "Shivers", wo die Welt aus der Sicht eines Sex-Parasiten beschrieben wird? Oder "Dead Ringers", der die Persönlichkeitsspaltung zum Kunstwerk verdichtet?

David Cronenberg macht Kunstfilme, und jedes seiner Werke ist das Angebot an den Zuschauer, die Regeln zu übertreten, die eigene Sichtweise für das Mögliche zu schärfen. The only rule is: there are no rules. Man hat deshalb den Regisseur auch immer wieder als moralisch und sozial verantwortungslos gescholten, nützt er doch die Leinwand als Fläche für seine ganz persönlichen Obsessionen und Propaganda. Dem Kino als Besserungs- oder Konditionierungsanstalt dagegen verweigert er sich konsequent. So konsequent, dass man sich als Cronenberg-Fan oft die bange Frage stellt, wie lange das noch gut gehen kann. Auch sein neuster Film "Spider" ist nicht dazu angetan, diesen Ängsten entgegen zu wirken.

Im Gegensatz zu den meisten seiner früheren Filme greift Cronenberg diesmal nicht auf eigenes Material zurück. Er lässt Patrick McGraths 1990 erschienenen Roman "Spider" zum Drehbuch umarbeiten. Ralph Fiennes spielt - in schönem Kontrast zu seiner zuckrigen Rolle als englischer Patient - den Heimkehrer Dennis Clegg, genannt Spider. Clegg/Spider kehrt nach zwanzig Jahren in einer Irrenanstalt zurück in seine heimatliche Nachbarschaft in London. Den zeitlichen Rahmen geben die 80er Jahre ab, die No-future-Stimmung ist mit Händen zu greifen. In einem Übergangsheim soll der ausschliesslich unverständlich nuschelnde Patient auf eine Art Wiedereingliederung in die reale Welt vorbereitet werden. Betreut wird er dort von der steifen Mrs. Wilkinson (Lynn Redgrave), die ihn in einem schmutzigen Dachzimmer unterbringt.

Nimmt man die ersten Bilder, welche man zusammen mit Spider in dieser kafkaesken Albtraumlandschaft verbringt, anfänglich noch aus einer sicheren "objektiven" Distanz auf, verlässt man mit fortschreitender Dauer diese beruhigende Zentralperspektive. Weiter bemüht, die geheimnisvollen Bruchstücke aus Spiders Kindheitsgeschichte selbst zusammenzufügen, erliegt man immer mehr der Welt des Kranken und beginnt die Dinge durch seine Augen zu sehen. Es sind seine Kindheitserinnerungen, welche aufsteigen, als er die Orte aufsucht, aus welchen er als 10-Jähriger offensichtlich unvermittelt herausgerissen wurde. Wie er selbst sind auch wir als Beobachter zugegen, als sich seine Geschichte zu entfalten beginnt. Der junge, stille Dennis Clegg (Bradley Hall) lebt zusammen mit seinem Vater Bill (Gabriel Byrne), einem Klempner, und seiner Mutter (Miranda Richardson) in einem proletarischen Haushalt. Die Stimmung ist bedrückend. Wortlos wird das Abendbrot gelöffelt, und der gefrustete Vater verzieht sich ständig ins Quartierpub. Die Mutter liebt ihren kleinen Spider, und Spider liebt seine Mum.

Hier nun, in diesen Verhältnissen, muss der Schlüssel zu jenem kranken Spider liegen, wie wir ihm zuerst begegnet sind. In dieser Zeit muss er jenes Trauma eingefangen haben, dass ihn zerriss und zu dem machte, was er ist. Wir vermuten das Schlimmste: Ablehnung durch den Vater, Kindsmisshandlung, Seelenquälereien - alles liegt drin. Aber es kommt dicker. Vater Bill bändelt mit der Prostituierten Yvonne (Miranda Richardson) an, und nachdem sie es miteinander getrieben haben, bringen die beiden die Mutter vor Spiders Augen um.

Es sind diese Bilder, ein Anfang zwar für eine Erklärung und doch führen sie in die Irre. Ganz Cronenberg liegt der Thrill in diesem kleinen, langsamen und dichten Film im Werbespruch, der "Spider" vorangestellt ist: Was schlimmer ist, als den Verstand zu verlieren, ist ihn wieder zu finden. Das mag geheimnisvoller klingen als es ist, doch wer Cronenberg kennt, wird auch in "Spider" nichts anderes erwarten als das Unerwartete.

10.11.2020

4

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Kommentare

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movie world filip

vor 13 Jahren

sober aber gut, mit stil


tuvock

vor 20 Jahren

Kurz zusammengefasst kann man eigentlich sagen, das Cronenberg die Geschichte eines Mannes verfilmt, der nicht weiß wieso er ein Trottel ist oder ein introvertierter Depp und er bildet sich das und das erlebt zu haben um seine Paranoia und eigenartigen Haßgedanken an seinen Vater beizubehalten. Dazu dichtet er natürlich eine Menge Lügen, die als Kind schon anfangen, und ich habe einfach keine Ahnung wieso er so wurde, wahrscheinlich weiß das Cronenberg nicht einmal, oder aber man muss alle Bücher von Sigmund Freud gelesen haben.

Gestört hat mich das er dauernd in seiner Kindheit war, als Erwachsener Mann, der sich erinnert was er damals gesagt hat, und spricht einige Passagen, die man dann sieht als Spider ein Kind ist, und auch redet, an Passagen, an Texte die er noch weiß, und man merkt aber das er damit nicht viel anfangen kann, er sucht nach Erklärungen, so nach dem Motto, ich weiß das ich anders bin aber weiß nicht wieso, und suche nach einer Möglichkeit rauszufinden wieso.

Irgendwie dürfte Spider auch schizophren sein, denn seine Gegenwart wird zu seiner Vergangenheit und auf einmal ist er gefangen in einem Netz voller alter unbewältigter Gefühle seiner damaligen Gegenwart. Und ich finde diesen Film eben saulangweilig weil da eben nur gesprochen wird, weil der Typ einfach krank ist, weil ich im Kino nichts sehen will das noch kränker ist als ich, es kenne, von anderen Leuten natürlich und weil ich nicht so einen Schizophrenen Typen, egal wie gut er ihn spielt die ganze Zeit langweilig herumlaufen sehen möchte, und nicht mitkriegen möchte, wie der Dennis nicht kapiert wieso er so ist wie er ist, und weiß das er anders ist, und weiß das andere Leute wissen das er anders ist und auch das diese wissen das er nichts ändern kann, weil er eben so wurde wie er ist, und er weiß auch das andere wissen das er nicht immer versucht rauszufinden wieso er so ist, und das er das weiß, das tut ihm weh, denn er kann dagegen nichts tun, da Hänschen nie gelernt hat ein normaler Mensch zu sein.

Der Film ist was für frisch promovierte Psychologiestudenten, die werden da Ihre helle Freude haben, und darüber diskutieren was wann wie wo gemeint war und gleich eine Dissertation darüber schreiben, der normale Kinozuseher der frischblutende Körperorgane sehen will wie diese durch die Luft mit Schallgeschwindigkeit geschnipselt werden, werden sich bei dem Film fadisieren, darum nur

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bikinigirl86

vor 21 Jahren

Schluss unpassend


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