American Splendor USA 2003 – 101min.
Filmkritik
Verlierer-Perspektive
"American Splendor" ist nicht nur die Verfilmung eines Kult-Comics, sondern gleichzeitig auch ein Dokumentarfilm und ein philosophischer Essay. Der Name Harvey Pekar, Schöpfer und Hauptfigur der gleichnamigen Publikation, steht für ein unspektakulär durchschnittliches US-Bürgerleben und die entsprechenden Leiden.
Harvey Pekar, ein hypochondrischer Archivar in einem Regionalspital in Cleveland mit einer Leidenschaft für alte Schallplatten und Jazz, kriegt keinen geraden Strich hin. Doch er weiss, was er eigentlich gerne zeichnerisch festhalten möchte: Alltags-Kram eben, wie er nahezu seine Stimme verliert, wie er seine Frau findet, und wie er sein Krebs-Jahr überlebt.
Das Zeichnen übernehmen andere, und 20 Jahre später hat seine Publikation namens "American Splendor" einen Kult-Status erlangt. Mit der Verfilmung sind nun auch einige der besten Szenen aus Pekars Leben fürs Kino verewigt: Etwa sein erstes Rendez-vous mit der Comic-fanatischen Joyce Brabner (Hope Davis), seiner zukünftigen Frau, die sich erst übergeben muss und ihm dann gleich vorschlägt, die Balzerei doch auszulassen und einfach zu heiraten.
Pekar persönlich erzählt und erklärt die Handlung in Interviewsituationen auf dem Filmset und wird parallel dazu von Schauspieler Paul Giamatti dargestellt - der ihm, wie Pekar selbst bemerkt, nicht besonders ähnlich sieht, aber irgendwie genau jene missliche Aura wiedergibt. Ebenfalls geschickt eingeflochten sind Standbilder aus seinen Büchern sowie Archiv-Aufnahmen seiner Auftritte bei "Late Night With David Letterman" in den späten Achtziger Jahren.
"American Splendor" ist eine erfrischende Variante einer Comic-Verfilmung. Shari Springer Bermans und Robert Pulcinis Werk - in Sundance 2003 preisgekrönt - ist klug, raffiniert und unterhaltsam. Einzig Pekar-Interpret Giamatti lässt zu wünschen übrig. Statisch ist er absolut überzeugend. Kaum bewegt er sich, wird deutlich, wie aufgesetzt seine Körpersprache ist. Karikatur hin oder her.
Erfreulich ist hingegen der neuentdeckte Mut zur Skizzenhaftigkeit im US-Kino: Wie schon gesehen in Sofia Coppolas "Lost in Translation", scheint das nicht Ausformulierte urplötzlich wertvolle Qualitäten in sich zu bergen, die von allzu viel Pragmatik ansonsten chronisch erschlagen werden.
Dein Film-Rating
Kommentare
"American Splendor" ist sicherlich die originellste Comicverfilmung, die es je gab. Der Film schafft es tatsächlich den Comicstil beizubehalten und gleichzeitig kohärent zu sein. Über die Story brauche ich nichts zu sagen, sie ist einfach genial.
"Das Leben schreibt die besten Geschichten. " Wenn sich diese Aussage bewahrheitet, dann trifft sie sicher auf den Film "American Splendor" zu. Virtuos verknüpfen die beiden Regisseure die nachgespielten Szenen mit den dokumentarischen Interwieveinschüben der richtigen Hauptpersonen. Es gelingt ein Abbild der Person um Harvey Pekar, der sich eines Tages aufmacht und ein Comic über sein Leben schreibt. Das gewöhnliche Leben kann ganz schön komplex sein. Und schreibt eine wunderschöne, skurille und liebevolle Liebesgeschichte sowie bizarre, charmante Nebenfiguren. Pekar kultiviert sein Looser-Image in seinen Comics, in seinem Leben. Keiner will ein Looser sein. Aber seine scharfen Beobachtungen kennen wir alle. Sie bringen uns zum lachen und zum nachdenken. Natürlich gehen viele Lacher auch auf Kosten von Pekar. Das, und das weiss er, ist der Preis, den er für sein öffentliches Verlierersein zahlt.
In einem Pressetext steht geschrieben: "Das gewöhnliche Leben ist grossartig. " Darüber lässt sich streiten. Sicher ist: wenn die Geschichte derart klug arrangiert mit Kunst und Wirklichkeit spielt und so witzig bis melancholisch daherkommt, dann ist das unbedingt einen Kinobesuch wert.
Also hingegen und anschauen. Hoffen wir, dass uns das Leben weitere gute Geschichten und Filmemacher bereithält...… Mehr anzeigen
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