Kitchen Stories Norwegen, Schweden 2003 – 94min.

Filmkritik

Das Schweigen der Männer

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Man fragt sich ja manchmal, wie ausgerechnet IKEA mit seiner funktionalen Möbellinie so erfolgreich werden konnte. Was war es, das den Schweden und ihrem Knäckebrot-Design zum Durchbruch verhalf? "Kitchen Stories" hält eine Antwort bereit.

Hier nämlich ist zu erfahren, dass in den 50er Jahren das schwedische "Forschungsinstitut für Heim und Haushalt" zum Zweck einer besseren Funktionalisierung der schwedischen Küche eine ausgedehnte Untersuchungsreihe unterhielt. Diese Forschungsarbeit produzierte Zahlen, die schockierten, zeigten sie, dass die schwedische Hausfrau in ihrer Küche pro Jahr die Strecke zwischen Stockholm und dem Kongo zurücklegte. Diese Strecke zu verkürzen war dann auch erklärtes Ziel: Zukünftig sollte die Hausfrau nur noch bis Süditalien laufen müssen...

Der norwegische Filmemacher Bent Hamer hatte von diesen Untersuchungen gelesen und deren filmisches Potenzial sofort erfasst. Um die Angelegenheit zusätzlich noch etwas aufzupeppen, beobachten die Tester in seinem Film "Kitchen Stories" nun nicht schwedische Hausfrauen, sondern norwegische Single-Männerhaushalte.

Folke (Thomas Norström) gehört zu den Datenerhebern. In dieser Funktion verschlägt es ihn auf den Bauernhof des wortkargen Einzelgängers Isaak (Joachim Calmeyer). Folke, der eine entfernte Verwandtschaft mit dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné geltend macht, hockt so den ganzen lieben Tag lang auf einem Hochsitz in Isaaks Wohnung. Akribisch verzeichnet er dabei die Kreise, welche der Bauer in seiner Küche zieht. Was die Situation zusätzlich zuspitzt, ist der Umstand, dass es dem Beobachter strikte verboten ist, seinen Untersuchungsgegenstand anzusprechen. Klartext: Folke und Isaak müssen sich, der Objektivität zuliebe, gegenseitig anschweigen.

Natürlich kommt dann alles ganz anders, und aus der anfänglichen Distanz zwischen den beiden einsamen Männern entwickelt sich Freundschaft, ja Zuneigung. Über weite Strecken lebt "Kitchen Stories" von der inzwischen genretypischen Lakonie, wie sie zum Markenzeichen einer ganzen Branche des skandinavischen Filmschaffens geworden ist. Schritt um Schritt zieht Filmautor Bent Hamer sein skurriles Stück auf. Ganz bedächtig kommen sich die beiden Männer näher. Wenn es - nach diversen Tiefschlägen - dann schliesslich auf ein versöhnliches Ende zuläuft, hat der Zuschauer keine allzu aufregende Geschichte aufgetischt bekommen. Wo allerdings IKEA seine Daten für ein funktionaleres Design hernehmen konnte, das weiss er dann.

25.05.2021

4

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Kommentare

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vor 15 Jahren

Die Wirkung dieser herausragenden Komödie liegt nicht nur in der schon sehr skurrilen Grundsituation: offizieller Beobachter sitzt unter der Küchendecke und zeichnet dort die Arbeitswege auf, auch nicht in den liebevoll gezeichneten äußerst kauzigen Charakteren, sondern in der bedächtig fortschreitenden, oft wortlosen Handlung, die der Komik erst die Gelegenheit gibt, sich zu entfalten. Eine humorvoll packende Schilderung wie es vom Kleinkrieg zwischen den beiden Hauptbeteiligten zu einer stillen Freundschaft kommt bis hin zum Rollentausch. Man kann genüsslich verfolgen, wie sie sich belauern ohne ein Wort miteinander zu reden. Neben den sarkastischen Seitenhieben auf das vergnügungssüchtige Management und der Animosität zwischen Norwegern und Schweden packt einen emotional die Geschichte mit dem kranken Pferd und dessen Folgen. Und was für ein genialer Schluss krönt diesen lustigen Film, der nichts für Brüller ist.Mehr anzeigen


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