Leben nach dem Tod in Bangkok Japan, Thailand 2003 – 112min.
Filmkritik
Lebensmüde
In "Last Life in the Universe" erzählt der thailändische Regisseur Pen-Ek Ratanaruang die Geschichte von zwei Einsamen in Bangkok - unspektakulär, ruhig und in jeder Minute fesselnd.
Die erste Einstellung macht es deutlich: Hier will einer sterben. Sorgfältig, geradezu pedantisch stapelt der junge Mann, den wir später als Kenji kennen lernen, auf dem Fussboden seiner Wohnung Bücher. Gleich will er auf den Stapel steigen und seinen Kopf durch die Schlinge stecken, die schon über den Büchern baumelt. Ruhig fährt die Kamera durch diese Szenerie, tastet Requisiten und Darsteller ab, bis sie einen Bildausschnitt interessant genug findet, um darauf zu verweilen. Kameramann Christopher Doyle wurde durch seine Zusammenarbeit mit Wong Kar-Wai bekannt und tauchte zuletzt das Martial Arts-Epos Hero in opulente Bilder. Bei "Last Life in the Universe" wählt er eine weit unspektakulärere, fast schon lakonische Bildsprache.
Zum geplanten Selbstmord durch Erhängen kommt es nicht. Noch bevor sich Kenji aufknüpfen kann, klingelt sein Bruder an der Türe der kleinen Wohnung in Bangkok. Der ist ein japanischer Gangster, wie unschwer zu erkennen ist, dazu ein unangenehmer Zeitgenosse, ein Rüpel und Aufschneider. Später wird der Bruder von einem anderen Yakuza erschossen und Kenji erschiesst wiederum den Mörder. Fast abwesend tut er das, mit der Gleichgültigkeit eines Mannes, der nicht an seinem Leben hängt. Tadanobu Asano spielt Kenji auf kleine Gesten reduziert und doch mit grosser Intensität. Wer den Japaner noch als Psychopathen Kakihara in Takashi Miikes "Ichi the Killer" in Erinnerung hat, wird erstaunt sein, wie überzeugend er als lebensmüder Neurotiker wirkt ("Ichi" wird übrigens kurz referenziert, als Filmplakat in der Bibliothek, wo Kenji arbeitet).
Ein weiterer Selbstmordversuch: Kenji will sich von einer Autobrücke stürzen, eine junge Frau eilt zu Hilfe und wird dabei von der eigenen Schwester überfahren. Noi (Sinitta Boonyasak) heisst die Schwester, eine Prostituierte wahrscheinlich, unordentlich und chaotisch - in etwa das Gegenteil von Kenji. Dennoch kommen sich die beiden näher und weil bei Kenji zu Hause zwei unter dem Wohnzimmertisch versteckte Leichen verwesen, zieht er in Nois verwahrlostes Haus am Stadtrand von Bangkok. Als er sich um ein anderes Leben zu kümmern beginnt, scheint ihm bald auch das eigene nicht mehr so wertlos.
Mit "Last Life in the Universe" liefert Regisseur Pen-Ek Ratanaruang eine Art Antithese zum oft lauten und schrillen Film aus Thailand. Fast schon schlafwandlerisch bewegen sich seine Figuren durch eine Geschichte von zwei Einsamen, denen das Leben erst einen Sinn zu machen scheint, als ein anderer da ist, für den sie da sein können. Mit hypnotischer Eleganz spielt sich die Geschichte ab, und obschon nur selten Momente der Spannung die Handlung durchbrechen, bleibt das Zuschauen in jeder Minute spannend. Dafür sorgen in dieser thailändisch-japanischen Co-Produktion alleine schon die hervorragenden Darsteller, unter denen der furiose Takashi Miike mit fast schon beängstigender Hingabe einen Yakuza-Boss gibt.
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