Mein letzter Film Deutschland 2002 – 91min.

Filmkritik

Sternenflimmern

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

Ein Luxusapartement, eine digitale Videokamera und Hannelore Elsner. Dies sind die Zutaten für einen Monolog über Film, Schauspielerei, Ruhm und ein bisschen Schande. Oliver Hirschbiegel ("Das Experiment") inszenierte den Seelenstrip eines deutschen Filmstars. Packend, aber auch filmisch monoton.

Marie (Hannelore Elsner) ist abgekoppelt von ihrem Beruf und ihrem Privatleben. Seit jungen Jahren im Filmgeschäft, steht sie seelisch mit dem Rücken zur Wand. Die neuen Impulse fehlen, ein anderes Leben mit frischen Perspektiven scheint somit die einzige Lösung. Vor dem Bruch mit der Vergangenheit legt sie in ihrer Berliner Wohnung vor der Kamera Zeugnis ab.

Freunschaften, Liebschaften, Film, Schauspielerei, Frauen und besonders Männer bilden den Kern ihrer Lebensbeichte. Denn drei Männer sind es, die ihr Leben entscheidend geprägt haben. Da wäre einmal Ehemann Richard, der Regisseur, welcher Marie entdeckt, gefördert, geheiratet und schliesslich betrogen hat. Des weiteren Ralph, der Politiker, dessen Leben für die Partei das Verhältnis mit Marie in eine neutrale, leidenschaftslose Zone abgleiten liess, und schliesslich Thomas, der Fussballtrainer, dessen Sportwelt den Nährboden für Leidenschaft und Gefühle lieferte, wobei der Ball allerdings stets Vorrang hatte. Sport, Politik und Kunst, das Umfeld von Marie's Leben war klar abgesteckt und bewegte sich in hohen, aber oft zermürbenden Sphären. Und jetzt ist schluss.

Elsner, wie auch Marie, ist älter geworden. Das einst hübsche Mädchen des Deutschen Films, das während dreissig Jahren als Polizistin, Mutter, Nonne und in dutzenden anderen Rollen zwischen Oberflächlichkeit und packender Schauspielkunst pendelte, legt sich hier dem Publikum dar. Dabei handelt es sich weniger um einen Film als um eine Aufzeichnung, die von Elsener getragen wird.

Zuerst rezitativ wirkend, entwickelt sich der von Bodo Kirchhoff verfasste und von Hirschbiegel und Elsner angepasste Text zu einem ergreifenden Monolog einer Frau inmitten eines Nervenzusammenbruchs. Die Haltung wird gewahrt, aber die offenen Wunden sind dauernd sichtbar. Wunden, die nicht nur Marie, sondern ganz offensichtlich auch Elsner in sich trägt, was es erschwert, Rolle und Schauspielerin voneinander zu trennen. Für die Kenner der Klatsch-Spalten sind die Hinweise auf Elsners Privatleben offensichtlich, für den unbedarften Zuschauer, der nicht über Elsners Lebenswandel informiert ist, bleiben faszinierende Vermutungen zurück. Obwohl der Streifen filmisch flach und entsprechend limitiert bleibt, behält er dank Elsners Solo-Leistung seine dramatische Dichte.

Erzählte Hirschbiegels Kassen- und Kritiker-Knüller "Das Experiment" von Menschen, die sich zu Gunsten der Wissenschaft Entwürdigungen aussetzten, findet in Mein letzter Film ein ähnlicher Abstieg in die dunklen Bereiche des Seins statt. Allerdings nicht als akademischer Versuch, sondern als integraler Bestandteil eines Lebens, worin das wahre Schockmoment dieses Kammerspiels besteht.

18.05.2021

3.5

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