Das geheime Fenster USA 2004 – 105min.

Filmkritik

Depp dreht durch

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Fast scheint es, als müssten wichtige US-Schauspieler einmal im Leben in einer Stephen King-Verfilmung den Schriftsteller mit Schreibstau spielen. In "Secret Window" ist diesmal Johnny Depp betroffen.

Gerade eben noch segelte Johnny Depp als Dandy-Korsar in "Pirates of the Caribbean" über die Weltmeere, da taucht dieser wunderbare Schauspieler unvermittelt im Stephen King-Land wieder auf und schlurft im zerschlissenen Bademantel durch eine einsame Blockhütte mit Seeanschluss in Neuengland. Ein neues Kapitel in der unendlichen "Johnny-Depp-spielt-einen-verschrobenen-Charakter"-Geschichte ist aufgeschlagen. Und wieder einmal ist es seine Performance, die einen Film rettet, der sonst nicht zu retten gewesen wäre.

"Secret Window" heisst der neuste Fall, wo Depp, ähnlich wie zuvor in "The Ninth Gate" oder "Chocolat", Entwicklungshilfe leisten muss. Nach einer Stephen-King-Story geschrieben und inszeniert von David Koepp ("Stir of Echoes"), entwickelt sich "Secret Window" so einfallslos den Genreregeln entlang, dass auch dem ungeübten Zuschauer spätestens nach zehn Minuten klar wird, welche "Überraschungen" ihn in den verbleibenden 90 Minuten noch erwarten. "Secret Window" ist wie der Ausflug in einen Stephen-King-Themenpark. Wie schon in "The Shining", "Misery" oder "The Dark Half" kämpft auch hier ein Schriftsteller mit den Geistern, die er rief und nun nicht mehr loswird.

Mort Rainey (Johnny Depp) hat sich nach der unglücklichen Trennung von seiner Frau Amy (Maria Bello) in die Isolation seines Ferienhauses zurückgezogen. Hier versucht er, einen neuen Roman zu schreiben. Doch gequält von Erinnerungen, Versagerängsten und einem lädierten Ego kommt er nicht über die ersten Sätze hinaus. Lieber säuft er sich die Hacke voll, verschnarcht den Tag auf dem Sofa und suhlt sich in Selbstmitleid. Daran ändert sich vorerst nur wenig, als eines Tages John Shooter (John Turturro), ein Kuhbauer aus Mississippi, auftaucht und ihn beschuldigt, eine seiner Geschichten geklaut zu haben.

Rainey fühlt sich zwar belästigt, gleichwohl beeindruckt ihn der Vorwurf wenig, denn die angeblich abgekupferte Story erschien Jahre vor jenem "Original", dessen Manuskript Shooter mitgebracht hat. Doch der Fremde rückt nicht ab vom absurden Vorwurf und verlangt ultimativ, das Magazin zu sehen, in welchem die Geschichte ein erstes Mal abgedruckt wurde. Hier beginnen für Rainey die Probleme, denn ausgerechnet diese Ausgabe liegt im Haus seiner Ex, die sich hier, zusammen mit ihrem Lover Ted (Timothy Hutton), eine neue Existenz aufgebaut hat. Wieder kriecht die Wut hoch, der Hass auf den Neuen. Gleichzeitig drückt ein Ultimatum, und seltsame Vorgänge in seiner Umgebung lassen keinen Zweifel daran, dass der Fremde seine Rachedrohungen ernst zu machen gedenkt.

Das alles klingt vertraut. Zu vertraut, um richtig Spass zu machen. Deshalb sollte man sich nicht zu sehr auf das absehbare Ende der Story fixieren, sondern ganz einfach Johnny Depp geniessen. Herrlich selbstvergessen führt er in seiner Blockhütte Selbstgespräche, giesst Fusel nach, schlachtet in Gedanken seine Putzfrau, stopft Doritos in sich rein und versucht, dem Lockruf der Zigaretten zu trotzen. Alles immer mit Grimassen und Zähnegeklapper, ganz so lächerlich, wie Männer eben ausschauen, wenn sie die unterschriftsreifen Scheidungspapiere vor sich liegen haben. Depp macht das glaubwürdig wie sonst keiner. Schade nur setzt Regisseur Koepp in "Secret Window" mehr auf knarrende Türen und weniger auf den tragisch-komischen Zerfall seiner Hauptfigur. Horror wäre genügend drin gewesen. Den besten Schauspieler dafür hatte er auch.

19.02.2021

3.5

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Kommentare

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MrsStraciatella

vor 11 Jahren

super dargestellte Szenen, total Psycho. I like it!


movie world filip

vor 12 Jahren

psychotischer trip, nur interessanter wie sonst was wegen johnny depp


Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Die zwei selbstständigen Seiten einer schizophrenen Persönlichkeit sind gut nachvollziehbar filmisch umgesetzt. Obwohl die Darstellung über weite Strecken hinweg mainstream-mäßig unterwegs ist, gibt es immer wieder Hinweise auf das was in Johnnys Kopf abläuft. Er spricht zunächst mit sich selbst, es folgen zwanghafte Gesichtszuckungen und erst gegen Ende sieht man die Figuren, die sich eigentlich nur in seinem Kopf befinden. Sogar das Haus spaltet sich dann auch noch in zwei Hälften. Die großen leeren Augen erlauben den Blick in sein Innerstes - vielleicht durch ein geheimes Fenster. Aber auch hier ist Doppelbödigkeit vorhanden, denn es gibt es irgendwo im Haus und auch der Titel der geklauten Erzählung lautet so. Gut, dass uns der Film die mörderischen Aktivitäten optisch vorenthält. Der Zuschauer weiß aber aus der Geschichte, was da abgelaufen sein muss. Und Johnny spricht am Ende mit einer anderen, tieferen Stimme, die seiner zweiten Hälfte. Ein psychologisches Phänomen wird allgemein verständlich sichtbar gemacht - wenn man es denn erkennt…Mehr anzeigen


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