Kino, Aspirin und Geier Brasilien 2005 – 99min.

Filmkritik

Freundschaft in Zeiten des Krieges

Sarah Stähli
Filmkritik: Sarah Stähli

Johann ist des zweiten Weltkrieges wegen aus Deutschland nach Brasilien geflüchtet. Als Vertreter des Wundermittels Aspirin reist er in einem Lieferwagen durchs Hinterland Brasiliens.

Die Hitze ist unerträglich, es herrscht Dürre «aber wenigstens fallen hier keine Bomben» rechtfertigt der Deutsche gegenüber den Brasilianern mehrmals seinen Aufenthalt in diesem von der Hitze gequälten Land. Der überzeugte Pazifist hat sich für die Dürre und gegen den Krieg entschieden.

In den ersten Filmminuten wird kaum gesprochen, ab und zu hält Johann (Peter Ketnath) an, um sich mit Wasser zu benetzen oder er nimmt einen Autostopper mit, fragt jemanden nach dem Weg, "Dieses Brasilien nimmt kein Ende", sagt er einmal. Die Hitze ist physisch spürbar, auf den verschwitzten Gesichtern des Reisenden, im aufgewirbelten Staub der Strassen. Das Sonnenlicht blendet. Die Kamera imitiert die menschliche Wahrnehmung, in manchen Aufnahmen ist das Licht so hell, dass kaum noch etwas zu erkennen ist, die Farben sind verbleicht, ausgewaschen. Die Bilder wirken hypnotisch, einer Halluzination ähnlich.

Dann trifft Johann Ranulpho (Joao Miguel), der vor der Dürre flüchtet und den es in die "grosse Stadt" zieht, "dort, wo das Leben ist". Zwischen den Beiden herrscht erst gegenseitiges Misstrauen; Ranulpho versteht nicht, weshalb Johann alles an Brasilien "interessant" findet, sogar die armen Menschen, und Johann hat Mühe mit der mürrischen Art seines Begleiters. Doch die zwei Männer freunden sich mit der Zeit allmählich an, und Ranulpho wird bald einmal zum kleinen Helfer Johanns.

Mit charmanten Werbefilmchen, die er zum Erstaunen der Dorfbewohner mit einer ratternden, magischen Maschine an die Wände projiziert, versucht Johann Käufer für die Wunderpille zu gewinnen. Was gibt es für ein besseres Versprechen als dieses: die Tablette sei das beste Rezept gegen die Kopfschmerzen nach dem Karneval. Johanns Geschäft läuft, und Ranulpho entdeckt den Zauber der laufenden Bilder.

Der Krieg ist anfangs nur aus dem Radio zu hören, doch schliesslich wird auch Brasilien von den Wirren des Krieges eingeholt. Eine Reise ins Ungewisse steht den beiden bevor.

Der Regisseur Marcelo Gomeshat sich in Brasilien bis anhin vor allem als Drehbuchautor einen Namen gemacht, so war er beispielsweise am Drehbuch von "Madame Satã" und "A Casa de Alice" mitbeteiligt. "Cinema, Aspirins & Vultures" ist sein erster Langspielfilm, inspiriert wurde er von Reiseerzählungen seines Grossonkels Ranulpho.

Gomes beglückt mit einem warmen, zärtlichen Roadmovie durch den Nordosten Brasiliens, das vom Zauber des Kinos und dem Trost der Freundschaft erzählt. Ranulpho, wunderbar verkörpert von João Miguel, mit seinem verschmitzt-zerkniffenem Charme und seiner kindlichen Begeisterung für Autos, Filme und Frauen, verleiht "Cinema, Aspirins & Vultures" einen unwiderstehlichen Charme.

19.02.2021

4

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