Im Bett Chile, Deutschland 2005 – 85min.

Filmkritik

Chilenisches Betthupferl

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Eine Frau, ein Mann, nur flüchtig miteinander bekannt, treffen sich nach einer Party in einem Hotelzimmer und haben leidenschaftlichen Sex. Da «En la cama» kein Porno ist, setzt dann das Reden ein. Der chilenische Regisseur Matias Bize lässt seine beiden Darsteller Blanca Lewin und Gonzalo Valenzuela im Verlaufe der Nacht zwar noch die eine oder andere heisse Nummer durchziehen; im Kern aber interessiert nicht der Akt, sondern was geschieht, wenn zwei Fremde sich voreinander seelisch entblössen.

Wir sprechen gern vom allmählichen «Näherkommen» und «Aufkommen von Intimität», wenn zwei voneinander angetan von ihrer Lebensgeschichte, von ihren Siegen und Niederlagen zu erzählen beginnen. Im Film «En la cama» des chilenischen Regisseurs Matías Bize erleben wir in gewisser Weise das Gegenteil. Sehen wir in den ersten Einstellungen ununterscheidbar nackte Körperteile aufeinander- und ineinanderverkeilt, entsteht nach dieser anfänglichen totalen Nähe durch das intime Gespräch allmählich Distanz. Je mehr Bruno (Gonzalo Valenzuela) und Daniela (Blanca Lewin) von sich preisgeben, voneinander erfahren, desto komplizierter wird die Sache. Trugen sie anfänglich die «Basic Instincts» über alle Hemmnisse hinweg, wird das anschliessende Gespräch zum Stolperstein.

Bruno und Daniela, so erfahren wir aus dem Talk während der «Zigarette danach», sind sich bei einer belanglosen Party begegnet. Es kam zum Augenkontakt und dabei zur stummen Übereinkunft: Let's have sex. Dann ein kleines Hotelzimmer, die Kleider sind vom Leib gestreift. Zusammen mit den Protagonisten tauchen wir ein in eine Odyssee der Gefühle. Körperlich hat man sich einiges zu sagen. Auf den Austausch von Körperflüssigkeiten folgt der Austausch der Namen. Die beiden bereden ihre verflossenen Beziehungen, sie schauen TV, bewerten ihre Lieblingsfilme, nehmen ein gemeinsames Bad. Auf die Anziehung folgt Abstossung. Ein Riss im Kondom sorgt bei Daniela für Konsternation. Sie erklärt Bruno ihren Glauben an eine göttliche Ordnung. Er reagiert darauf mit einem Geständnis eines dunklen Jugendgeheimnisses, welches schwer mit der Existenz Gottes in Einklang zu bringen ist. Daniela ist wieder fasziniert. Doch als Bruno ihr eröffnet, in Kürze nach Europa zu ziehen, um dort sein Studium zu Ende zu bringen, kommt das wie ein Schock. Als sich die schöne Frau wieder gefasst hat, überrascht sie den Lover ebenfalls mit einer erstaunlichen Enthüllung.

Nähe und Distanz wechseln sich während des Redens ab, wobei die Möglichkeit einer Beziehung mehr als einmal im Raum steht. Tauchen dann Widersprüche auf und droht die Sympathie in Antipathie zu kippen, legt man eine weitere Fickrunde ein. Schliesslich aber, je weiter der Seelenstrip voranschreitet, desto offener ist das Ende dieser Nacht. Der chilenische Regisseur Matias Bize schrammt mit «En la cama» immer wieder bewusst die Grenzen zur Pornografie. Er macht uns zu Komplizen. Mit fliessenden Kamerabewegungen rückt er den beiden Darstellern Blanca Lewin und Gonzalo Valenzuela auf den Leib. Er blickt unters Bettlaken und präsentiert die Körper aus unmöglichen Perspektiven. Wir verlassen den pornografischen Naturalismus. So wie die Gefühle werden im Bild die klaren Körperkonturen immer weiter dekonstruiert. Die Leiber verschwimmen im Farbenrausch. Das erinnert an ein abstraktes Gemälde. Damit präsentiert Bize die bildliche Entsprechung zum Seelenstriptease seines Paares. Auf der einen wie anderen Ebene sind wir gefordert, und weil Gonzalo Valenzuela und vor allem Blanca Lewin - in Chile zwei Schauspieler mit Renommé - so sympathisch und glaubwürdig rüberkommen, gelingt das verwirrende Spiel mit Intimität und Abstossung, Verhüllung und Entblössung, Wahrheit und Lüge ganz vorzüglich.

17.02.2021

4

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Kommentare

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bullettooth

vor 15 Jahren

Sehr vorhersehbar, aber sonst ganz okay.


raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film gut.


pradatsch

vor 17 Jahren

Von diesem Film konnte ich nichts mitnehmen, und das liegt eher am Film als an mir. Es ist doch banal, dass sich zwei Menschen näher kommen, die sich näher kommen? Die Gesprächsthemen und -ausgänge sind absehbar, das wird durch einige intensive Momente zu wenig wettgemacht.


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