Exit Schweiz 2005 – 75min.
Pressetext
Exit
Mit der Präzision der Aufnahmen, ihrer Situierung in Zeit und Raum, welche die Beziehungen zwischen den Figuren des Films beschreiben, gelingt es Fernand Melgar zu erläutern, warum und wie Menschen die Fäden, die sie am Leben erhalten, durchzuschneiden beschliessen. Es geht um Entscheidendes, nämlich darum, in der grossen Tradition des Cinéma direct im Einverständnis mit ihnen und ohne Verfälschung ihres Verhaltens direkt auf Menschen zuzugehen, die jenseits der allgemein gültigen Moral handeln und denken. In Exit - nach dem Namen der 1980 in der Westschweiz gegründeten und heute 10'000 Mitglieder im Alter zwischen 21 und 103 zählenden Vereinigung - ist die Rede von Freiwilligen, die von Krankheit und Leiden erschöpfte Menschen bis zu ihrem bewusst gewählten Tod begleiten. Zwei verschiedene Bildebenen verleihen diesem Roman des Wirklichen die Dimension einer Initiation, deren kultureller und moralischer Horizont durch eine in Japan gedrehte Sequenz erweitert wird. Es gibt die fliessenden Einstellungen. Sie schmiegen sich den Bewegungen der Gespräche und Körper an, entschlüsseln das dringende Bedürfnis nach Komplizität und Mitgefühl zwischen den Menschen, welche die todbringenden Handlungen durchführen werden. Die Sequenz des Spaziergangs von zwei Sterbebegleiterinnen in einer dunstigen Landschaft mit gespensterhaften Bäumen ist stupend. Es gelingt dem Filmemacher und seinem Chefoperateur, in ihrem Gespräch die universellen Gedanken über Leben und Tod festzuhalten. Dieser Moment, der in einem von der Erinnerung an das Hin und Her zwischen den beiden Ufern durchzogenen Phantasieraum schwebt, gibt der Erzählung ihren beherrschten Rhythmus. Einer Erzählung, die ihren Zuschauer nie vor den Kopf stösst.
Und es gibt die festen, messerscharf kadrierten Einstellungen, welche die Strukturen eines Reichs von Generalversammlungen, Komitee und Vorstandssitzungen ausloten, in denen die Reglemente, die Prozeduren, die den Akteuren von Exit eigenen Körperhaltungen und Techniken zum Ausdruck kommen. Und darin liegt das Verdienst des Films, dass er gleichzeitig die Nähe des empathischen Blicks und die Distanz des ethnographischen Standpunkts herstellt, die bis ganz zum Schluss, bis zum äussersten Ende dessen, was Kino einzufangen wagen darf, einen moralischen Halt mit packenden ästhetischen und erzählerischen Werten gibt.
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