Workingman's Death Österreich, Deutschland 2005 – 122min.
Filmkritik
Sie sind Helden
Schon wieder gute Nachrichten aus Österreich: Michael Glawogger hat sich auf die Suche nach der körperlichen Schwerstarbeit im 21. Jahrhundert gemacht - und Erstaunliches gefunden.
«Schöne Helden sind wir», frotzelt ein Arbeiter während der Pause, die er sich mit seinen Kumpels gönnt - im Liegen, wohlgemerkt. Schon Sitzen geht nicht in dieser ukrainischen Mini-Mine, in der Valodja & Co. Kohle für den Eigenbedarf abbauen. Und dann reden sie über die Ziege des einen, die Zicke des anderen und eine Schule, in der man nicht mehr heizen kann. Die Szene birgt alles, wovon der neue Dokumentarfilm des Österreichers Michael Glawogger handelt: von Menschen, die am Anfang des 21. Jahrhunderts körperliche Schwerstarbeit leisten und gleichwohl gelassen aus einem Leben berichten, das eher ein Sterben scheint.
Es sind auch diese Augenblicke plötzlicher Heiterkeit, die den westlichen Schreibtisch-Täter verstören, der sich nach Ladenschluss im Fitness-Studio vielleicht noch eine Ahnung dessen verschafft, was körperliche Arbeit bedeuten mag - unter Ausschluss der Lebensgefahr allerdings, der sich Glawoggers Personal täglich aussetzt; jene Männer in Ost-Java, die mit Weidenkörben hundert Kilo vulkanisches Schwefelgestein zu Tale tragen ebenso wie die Pakistani, die rostige Riesentanker zerlegen. Immer wieder bricht sich in «Workingman's Death» die schiere Brutalität archaischer Arbeit an einer Normalität mit durchaus komischem Mehrwert; wenn die Schwefler von Bordellen und Bon Jovi schwafeln etwa, oder auf dem Schrottplatz ein Fotograf auftaucht, um die Schweisser mit Kalaschnikow zu knipsen.
Erbarmungloser Voyeurismus und Bilder von einer betörender Schönheit (Kamera: Wolfgang Thaler) sind die filmischen Mittel, derer sich Glawogger bedient. Und vor allem: Der Herr pflegt sich Zeit zu lassen beim Hinschauen. Fünf Jahre hat er für den Film gebraucht, wochenlang hat man sich an den einzelnen Drehorten eingenistet. Keine der Episoden atmet dies heftiger als die fast halbstündige auf dem riesigen Freiluft-Schlachthof von Port Harcourt, Nigeria, wo sie täglich Herden von Rindern schächten, rösten, waschen, häuten, zerteilen und verkaufen - ein apokalyptisches Spektakel unfassbar blutigen Ausmasses, eine gleichsam fleischgewordene mittelalterliche Höllenvision. Und mittendrin versichert der Chef-Schlächter, dass «diese Arbeit etwas Besonderes aus uns macht».
Er habe, so Glawogger, «eine Dualität gesucht, einen komplexen Blick auf die Sache, der mittendrin gebrochen wird». Genau darin unterscheidet sich sein «ästhetischer» Ansatz vom «analytischen» eines Hubert Sauper, der unlängst in «Darwin's Nightmare» zwar grauenhafte Wirtschafts-Zusammenhänge aufdeckte, die Menschen am Ende der Nahrungsmittelkette aber zu blossen Opfern degradierte. Glawogger, der auf jeden erklärenden Kommentar verzichtet, zeigt die meisten seiner Arbeiter als herausgefallen aus jedem grösseren ökonomischen Kontext, als Zurückgeworfene auf sich selbst und ihre irrsinnige Arbeit. Dass die zehntausend Mal so hart ist wie copy und paste hatten wir. Aber dass in dieser Welt der Armut so viel Würde zu finden ist? So habe ich das noch nie gesehen.
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