La bicicleta Spanien 2006 – 111min.
Filmkritik
Bremskabelsalat
Ein Fahrrad, drei Geschichten, viele Fragen: Der zweite Spielfilm des Spaniers Sigfrid Monleón mag nicht mehr sein wollen als leichte Sommerkost mit politisch korrekter Beilage. Gut schmecken muss das deswegen noch lange nicht.
Abgefahren eigentlich, diese Idee: ein Fahrrad als Vehikel für einen Episodenfilm zu benützen, der drei kleine Liebesgeschichten erzählt und sie lose zu einer "grossen" verbindet. Als da wären der junge Ramon (José Miguel Sanchez), Schüler noch und noch mehr Drogenkurier auf seinem viel zu grossen Drahtesel. Den später die schöne Julia (Barbara Lennie) sattelt, die sich ihr Studium als Velokurierin verdient. Der zuletzt im Besitz der alten Aurora (Pilar Bardem) ist, die sich auf dem "Holländer" noch einmal jung fühlt und - ach! - die Liebe neu erfährt.
Aber so richtig ins Rollen kommt "La bicicleta" nicht. "Auf dem Rad fährt man in die Kindheit zurück, es ist wie fliegen" tönt es einmal in Dolby Surround. Das ist ein schöner Satz, und er ist so wahnsinnig wahr, dass er sogar auf den zweiten Spielfilm des Spaniers Sigfrid Monleón zutrifft, wenigstens bis zum Komma. Denn beschwingt vorwärts bewegt sich hier nichts, niemand. Das durchgehend schleppende Erzähltempo wird ganz sicher Absicht sein. Ist es mit jener Gemächlichkeit verwandt, mit der noch Velokurierin Julia durch den Film pedalt? Bummeln, die Entdeckung der Langsamkeit: ein programmatischer Widerspruch, die lässige Antithese zum High-Speed im Internetz und auf der Autobahn?
Zu behaupten, man werde mit "La bicicleta" wieder klein, ist dann schon bösartig. Dies ist eher ein Familien- als ein Kinderfilm, keine Frage, aber naiv ist er, sentimental, und beides ist natürlich so gewollt. Ein wenig ärgern tut es trotzdem. Wahrscheinlich, weil alles so gut gemeint, so richtig gedacht und politisch so korrekt ist? Die Punks mit ihren klugen Köpfen unter den frisch gewaschenen Wuschelhaaren zum Beispiel, denen sich der Stand der gesellschaftlichen Dinge an der Anzahl real existierender Velowege zeigt? Gegen grünes Engagement ist gewiss nichts einzuwenden. Und dass mal jemand aus Spanien den Autofahrern unter die Nase reibt, dass Fahrräder weder stinken noch mit Öl fahren, ist nicht minder lobenswert - erst recht in Zeiten wie diesen, da man vor lauter Klimawandel fast den Irakkrieg vergisst.
Seltsam mutet aber an, es ist wie ein Widerspruch, dass "La bicicleta" derart gelackt daherkommt, wo das Velo so gebastelt ist. Liebevoll gepflegt ist es, aber doch kein Designer-Teil. Irgendwie wollen diese Bilder (Kamera: Alfonso Parra) nicht recht passen, in denen die Figuren die cleane Luft der Werbespots atmen, während die Welt, in der sie leben, als hässliche entlarvt wird. Immerhin sind leichte Drogen und schwerer Verkehr die Fratze, der Monleón den Spiegel vorhält, und auch die Liebe kennt unschöne Seiten. Ein wenig Melodrama, ein bisschen Ökowut, und doch bleibt alles schal und Hauch? Schade, bremst dieses Fahrrad, bevor es richtig losfährt.
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