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MPS - Jazzin' The Black Forest Deutschland, Schweiz 2005 – 92min.

Filmkritik

Pianisten in der Stube

Filmkritik: Pascal Blum

Im Schwarzwald gibt's nicht nur Tanten und Torten, sondern auch das wegweisende Jazzlabel Musikproduktion Schwarzwald, kurz: MPS, dessen Aufnahmen heute von DJs wie Rainer Trüby gespielt werden.

Das Erstaunliche am vielfältigen Jazzlabel MPS ist zuerst einmal dessen Ausrichtung auf eine Person: Hans Georg Brunner-Schwer (von allen HGBS genannt und noch während den Dreharbeiten zu diesem Dokfilm verstorben), hat als eigentlicher Jazz-Mäzen 1968 die Plattenfirma Musikproduktion Schwarzwald, kurz: MPS gegründet, die während den 60er- und 70er-Jahren unterschiedlichste Jazz-, Swing-, Free-Jazz-, Bossa-Nova- und Fusionplatten herausgab.

Um die Historie um das merkwürdige Jazzzentrum im Schwarzwalddorf Villingen einzufangen, hat Regisseurin Elke Baur den Buchautor Klaus Gotthard-Fischer interviewt, ein Nick-Hornby-Typ, der von seinen Recherchearbeiten berichtet. Eine ganze Armada gealterter MPS-Jazzer spricht daneben über ihre Aufnahmen in Villingen: Der Basler George Gruntz, der Pianist Monty Alexander, der elektrische Geiger Jean-Luc Ponty und viele andere. Gegengeschnitten werden die Gespräche mit Stimmungsbildern aus dem Schwarzwald.

Einig sind sich alle: Einzigartig machte MPS das Ambiente in Villingen, die intimen Aufnahmebedingungen bei Brunner-Schwer zuhause sowie die einmalige Klangqualität, die MPS den Übernamen «Most Perfect Sound» eintrug. An der umwerfendsten Stelle zeichnet Brunner-Schwer die Aufnahmesitzung mit dem Pianisten Oscar Peterson nach, der sich über den ungefilterten Klang des Bandes freut und im Wohnzimmer gleich ein ganzes Konzert durchspielt, während Marlies Brunner-Schwer spätabends den Braten bringt.

Nicht alle der über 700 Jazzveröffentlichungen sind Meisterstücke, Brunner-Schwer selbst war ein Anhänger des linearen Swings, der Anfang der 70er-Jahre eigentlich bereits altes Brot war. Zu einer Ausweitung im Labelportfolio mit Free Jazz und Avantgardemusik kam es erst unter der Ägide des Produzenten und Jazzkenners Joachim Ernst-Behrendt.

1983 wurde das Label verkauft, im Zuge der Fusion-Welle versammelten in den 90er-Jahren Nu-Jazz-Sampler wie die «Mojo Club»-Reihe Remixes derjenigen MPS-Originale, die am meisten Groove aufwiesen. Darauf angesprochen meint der Keyboarder George Duke im Film: «Ich höre mir es an, aber es ist definitiv nicht mein Ding. Ich hätte es lieber, wenn die Originale wieder rauskommen».

29.06.2022

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