Nichts als Gespenster Deutschland 2006 – 120min.
Filmkritik
Sommerferien, später
Ellen und Felix blicken beim Roadtrip durch die USA in die Tiefe des Grand Canyon und die Abgründe ihrer Beziehung.
Christine und Nora trotzen auf Jamaika nicht nur den Erwartungen der Männer, sondern auch einem aufziehenden Hurrikan. Auf Island suchen Jonas und Irene nach Ablenkung vom Liebeskummer und finden etwas ganz anderes. Marion treibt die Einsamkeit nach Venedig, doch die Anwesenheit ihrer Eltern macht alles noch viel schlimmer. Und in der deutschen Provinz lernt Caro den neuen Freund ihrer besten Freundin Ruth kennen und bricht ein Versprechen.
Erzählt hat diese Geschichten zuerst Judith Hermann, ihres Zeichens Fräuleinwunder der deutschen Literatur, in ihrem Bestseller "Nichts als Gespenster", die Jamaika-Geschichte entstammt ihrem gleichermaßen erfolgreichen Debüt "Sommerhaus, später". Martin Gypkens, der zuvor den unterschätzten Berlin-Film "Wir" inszenierte, hat die auf den ersten Blick nicht eben kinotauglichen Kurzgeschichten nun zu einem überraschend gelungenen und angenehm traurigen Episodenfilm verknüpft.
Man kann gegen "Nichts als Gespenster" einwenden, was man auch schon Hermanns literarischem Werk vorwerfen konnte: eine gewisse Belanglosigkeit durchzieht die Erlebnisse ihrer Protagonisten, die vor ihren kaum elementaren Sorgen ins Ausland (oder wenigstens ins verschlafene Umland) flüchten und dort ihre Melancholie pflegen. Sie alle sind Teil der lässigen "Prenzlauer Berg-Bohème", wie sie vor ein paar Jahren von Literatur und Medien gefeiert wurde. Heute wirkt dieser Chic beinahe schon wieder gestrig, weswegen Gypkens Film nach vier Jahren Herstellungsarbeit fast ein wenig zu spät kommt.
Dabei ist "Nichts als Gespenster" alles andere als ein schlechter Film. Gypkens hat die inhaltlich nicht miteinander verknüpften Geschichten sehr geschickt verwoben und dabei Hermanns wunderbar authentische Dialoge und präzise Beobachtungen hervorragend auf die Leinwand übertragen. Die Bilder von Kamerafrau Eva Fleig sind von geradezu eleganter Schönheit, doch das wichtigste Argument für diesen Film ist sein einzigartiges Ensemble. Mit August Diehl, Fritzi Haberlandt, Maria Simon, Wotan Wilke Möhring, Jessica Schwarz und Stipe Erceg ist die Crème de la Crème des jungen deutschen Films versammelt und liefert beeindruckende Arbeit ab.
Besonders hervorzuheben sind aber Brigitte Hobmeier und Karina Plachetka, die schon bei "Wir" vor Gypkens Kamera standen und mittlerweile auf deutschsprachigen Theaterbühnen gefeiert werden. An einem Film, den diese beiden bemerkenswerten Schauspielerinnen mit ihrem Können veredeln, müssen alle Einwände fast zwangsläufig abprallen.
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