Schwesterherz Deutschland 2006

Filmkritik

Die Reise zum Ich

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Manchmal bedarf es den engen Kontakt mit einer anderen Person um festzustellen, dass die Selbstwahrnehmung und der reale Zustand des eigenen Lebens bei weitem nicht deckungsgleich sind. Diese Erfahrung ist nicht nur verwirrend und schmerzhaft, sondern zwingt den Betroffenen auch dazu, Konsequenzen zu ziehen. "Schwesterherz" erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich durch äußere Umstände dazu gezwungen sieht, ihre Identität zu hinterfragen und die Missstände in ihrem Leben zu erkennen.Anne (Heike Makatsch) ist eine erfolgreiche Musikproduzentin die vollkommen in ihrer Karriere aufgeht und sich ein Leben im Luxus leistet. Die Beziehung zu ihrem Freund Phillip läuft allerdings nicht annähernd reibungslos, zu groß ist das Konfliktpotential zwischen der starken Business-Lady und ihrem sorglosen und arbeitslosen Partner. Phillip weiß nicht, dass Anne ist in der sechsten Woche schwanger ist, aber sie hat sich gegen das Baby entschieden. Die Abtreibung soll nach ihrem Urlaub in Spanien stattfinden. Den hat sie ihrer Schwester Marie (Anna Maria Mühe) zum 18. Geburtstag geschenkt, auch wenn er nicht wirklich in ihren vollen Terminplan passt.In Spanien angekommen merken beide, wie wenig sie sich doch kennen und wie unterschiedlich sie beide sind. Während Anne nur an das Geschäft denkt, möchte Marie die Welt verändern, nach Afrika gehen und dort Entwicklungshilfe leisten. Die Situation verkompliziert sich, als Anne nach einer durchzechten Barnacht mit dem jungen Max im Bett landet. Was für die große Schwester nur ein kleiner Ausrutscher (bedingt durch zuviel Alkohol) war, ist für die kleine Schwester ein großer Vertrauensbruch, denn sie hat wirkliches Interesse an Max. Immer stärker geraten die beiden aneinander bis es zum großen Knall kommt.Nach "Almost Heaven" ist "Schwesterherz" die zweite Kollaboration von Regisseur Ed Herzog und Heike Makatsch. Doch diesmal stand Makatsch nicht nur vor der Kamera, sondern schrieb zusammen mit der FAZ Redakteurin Johanna Adorján auch das Drehbuch.Dabei zeichnen sie mit der Figur der Anne ein treffendes Bild einer Generation, die das Älterwerden verschoben oder gar ganz den Anderen überlassen hat. Sie kennt jeden neuen Trend, die richtigen Leute und hat einen scheinbar beneidenswerten Job, in den sie "so reingerutscht" ist. Eine Stellvertreterin einer Generation, die sich zusammen mit Madonna und Pilates gegen das Alter verschworen hat. Aber leider werden die Figuren während des Films immer wieder Opfer ihres eigenen Stereotyps, zu offensichtlich sind einige Wendungen der Geschichte und zu vorhersehbar die Handlungsweisen der Charaktere. Sehr gut aufgebaut hingegen sind die Szenen, in denen die beiden Generationen junger Frauen ungehemmt aufeinander treffen. Das sind die Momente, in denen sich das Konfliktpotential des Films vollkommen entfaltet. Die familiäre Spannung zwischen der resignierten Anne und die idealistischen Marie ist dabei deutlich spürbar, was nicht zuletzt der schauspielerischen Leistung von Anna Maria Mühe zu verdanken ist. Auch wenn sich "Schwesterherz", trotz seiner visuell klaren Konzeption, dann und wann in Oberflächlichkeiten verliert, ist er solider Film geworden, der die Schwierigkeiten des Zufriedenseins aufzeigt.

27.08.2014

3

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