Caramel Frankreich, Libanon 2007 – 95min.

Filmkritik

Träume und Schäume

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Frauen in einem Schönheitssalon, die von Glück, Liebe und Zweisamkeit träumen. Die 33jährige Libanesin Nadine Labaki, Filmerin und Hauptdarstellerin, beschreibt einen weiblichen Mikrokosmos unter Beiruts Sonne und singt das Hohe Lied des friedlichen Zusammenlebens im Nahen Osten.

Eine Welt zwischen Spiegeln, Schminktöpfen, Trockenhauben, Pinzetten, Scheren und "Caramel": Nein, es dreht sich dabei nicht um Bonbons, sondern um eine Epiliermasse (auf Caramel-Basis), mit der frau Haare entfernt. "Aber hinter Caramel steckt auch der Gedanke des Salzig-Süssen, des Süss-Sauren, des köstlichen Zuckers, der brennen und wehtun kann", erklärt die Filmautorin Nadine Labaki. Sie erzählt von einem halben Dutzend Frauen, die im Schönheitssalon von Layale (gespielt von Labaki selbst) ein- und ausgehen oder dort arbeiten. Alles dreht sich um äusseren Schein, um Sehnsüchte, Träume und Liebe. Der Salon wird zum Kristallisationspunkt der Hoffnung und Täuschungen.Die Inhaberin, eine Christin, ist in einen verheirateten Mann verliebt und kann trotz Erniedrigungen nicht von ihm lassen. Eines Tages kommt ihr gar die Ehefrau ihres Geliebten unter die Hände, und Layale wird sich ihres widersprüchlichen Lebens bewusst.

Die muslimische Mitarbeiterin Nisrine (Yasmine Al Masri) möchte Bassam heiraten, doch sie an einem gewaltigen Handicap: Sie ist nicht mehr Jungfrau. Was tun? Eine andere Mitarbeiterin, die junge Rima (Joanna Moukarzel) verliebt sich in eine schöne unbekannte Kundin. Jamale (Gisèle Aouad), die den Salon wie ihr zweites Zuhause betrachtet, träumt von einer Schauspielerkarriere und ist geradezu besessen vom perfekten Äusseren. Sie wird von einer fatalen Angst vor dem Altern getrieben. Schliesslich ist da die Schneiderin Rose (Siham Haddad), eine 65jährige Christin. Sie lebt mit ihrer verschrobenen Schwester (Aziza Samaan) zusammen, die sie drangsaliert und beansprucht. Um die Witwe Rose wirbt ein älterer Gentleman, doch sie wagt den Schritt nicht, sich wieder zu verlieben. Das wäre im Libanon ein Tabubruch.

Und so entwirft Filmerin Nadine Labaki einen libanesischen Mikrokosmos unter weiblichen Vorzeichen. Männer bleiben Randfiguren und Stichwortgeber, obwohl sie die Gesellschaft im Nahen Osten in Wirklichkeit prägen und dominieren. Labaki versucht, das Frauenleben hinter den Alltagsfassaden zu beschreiben - mit all seinen Tabus, Zwängen, Unfreiheiten, seiner Fadenscheinigkeit und seinen Lügen. Der Enthaarungsprozess mit Caramel wird quasi zum Akt der Entblössung, der "nackten Wahrheit". Im Salon der Träume und Schäume prallen Gegensätze aufeinander, und einigen wird schmerzhaft bewusst, dass ihre Hoffnungen zerplatzen. Labakis Spielfilm, von Laiendarstellerinen getragen und in Caramel-Farben getaucht ist aber nur bedingt sinnlich und amüsant. Das Kinodebüt der Libanesin wirkt trotz bittersüssen Zwischentönen etwas allzu nett. Dem schönen Schein traut man nicht, auch weil der politische Alltag mit der allgegenwärtigen Gewalt ausgeklammert wird. "Caramel" wird speziell Frauen ansprechen, Männer aber wenig fesseln.

18.11.2024

3

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Kommentare

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vor 13 Jahren

Caramel (Sukkar banat): leben, lieben


sirenitaurbana

vor 16 Jahren

Ich kann mich der bereits mehrmals erwähnten Kritik darüber, dass nicht explizit auch von den Gefühlen der Protagonisten gegenüber dem Krieg erzählt bzw dass dieser nicht thematisiert wird, absolut nicht anschließen. Die Libanesen sind tagtäglich mit eben diesem konfrontiert und er darf von internationalen Kritikern nicht zum hauptsächlichen Inspirationsboden für Kunst und Kultur auserkoren werden.
Viele wissen allem Anschein nicht, dass in kriegsgebeutelten Ländern wie eben dem Libanon oder in Diktaturen des Nahen Osten (oder gerade diesen bedrückenden Einflüssen zum Trotz) der Alltag trotz allem weitergeht, weitergehen muss, vor allem um denn Sinn für das Gewöhnliche im Leben und somit sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren.
"Caramel" veranschaulicht diese Art der Normalität auf eine bezaubernde Weise und ist ein absolutes Muss für Fans anspruchsvoller (Frauen-) Filme.Mehr anzeigen


joelis

vor 16 Jahren

ein schöner orienatlischer Frauenfilm, der viele Situationen anspricht, was es heisst Frau im Orient zu sein... mit Prägungen aus der westlichen Welt...
und etwas schön geschmückt ist der Fim von der Bildgestaltung, diese schönen Frauen, das Carmel... wie aus einer Werbung..
selbst Frauen schauen gern zu...Mehr anzeigen


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