Der Freischwimmer Deutschland 2007 – 115min.

Filmkritik

Provinzielle Einzelgänger

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Das deutsche Kino boomt seit geraumer Zeit und präsentiert sich stark wie lange nicht, doch wirklich mutig ist es dabei selten. «Freischwimmer» von Andreas Kleinert ist deswegen eine besonders erfreuliche Ausnahme.

Anfangs wähnt man sich noch in einer gewöhnlichen Coming-of-Age-Geschichte, wenn in der idyllisch-spießigen süddeutschen Provinz der 15-jährige Einzelgänger Rico (Frederick Lau) wegen seines Hörgeräts und seiner Unsportlichkeit gehänselt wird. Doch dann stirbt sein ärgster Rivale Robert am Genuss eines Eclairs, und der Film nimmt einige unerwartete Wendungen. Rico, der heimlich in Roberts arrogante Freundin Regine (Alice Dwyer) verliebt ist, klammert sich zusehends an seinen ähnlich zurückgezogenen Deutschlehrer (August Diehl), der wiederum mit einer Kollegin (Fritzi Haberlandt) schläft. Und dann ist da auch noch der aufbrausende Sportlehrer (Devid Striesow), der ein Verhältnis mit Ricos Mutter (Dagmar Manzel) hat.

Am Ende hat noch manch anderer dieses wundersamen Filmpersonals (zu dem auch eine schrullige Polizistin gehört) sein Leben gelassen, und doch kommt man «Freischwimmer» mit Kategorien wie Kleinstadtkrimi oder Gruselmärchen kaum bei. Viel mehr ist Andreas Kleinerts Film wunderbar eigensinniges Kino, das reich ist an bizarren Einfällen und Perfidie und dabei sehr viel Wert legt auf spezifische Farbgebungen, Schnitte und Toneffekte. Allein das filmisch unverbrauchte (und nie konkret benannte) Provinzsetting der Handlung ist Gold wert! Die Figuren und Dialoge sind metaphernreich, surreal und ausgesprochen artifiziell, getragen von einer vieldeutigen Geschichte über Sehnsucht und Gewalt und einem durchweg überzeugenden Ensemble.

Sehenswert ist dabei nicht zuletzt Hauptdarsteller Frederick Lau, der nicht nur neben den hochkarätigen Nebendarstellern bestehen kann, sondern auch dem wie immer sehr präzisen August Diehl auf Augenhöhe begegnet. Gerade erst gewann Lau den Deutschen Filmpreis als Bester Nebendarsteller für eine in der Anlage gar nicht so unähnliche Schüler-Rolle in einem allerdings komplett unterschiedlichen Film. Anders als «Die Welle» wird «Freischwimmer» vermutlich leider kein Millionenpublikum anlocken, denn statt Konsenskino erwartet den Zuschauer eine Herausforderung, mit der nicht jeder etwas wird anfangen können. Aber dass sich ein deutscher Film überhaupt traut, derart zu überraschen und zu irritieren, ist ebenso bemerkenswert wie erfreulich!

05.05.2008

4

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Kommentare

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freischwimmer

vor 16 Jahren

der film hat nicht nur super darsteller (frederick lau ist der hammer), sondern auch eine toll erzählte geschichte, die sich gänzlich von den übrigen filmen absetzten, die zur zeit im kino laufen!!


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