Tage und Wolken Italien, Schweiz 2007 – 115min.
Filmkritik
Erschüttungerungen einer Ehe
Sie hat sich einen Traum verwirklicht und ihr Studium in Kunstgeschichte abgeschlossen. Er verliert den Boden unter den Füssen, verliert seine Stellung - und verschweigt sein berufliches Waterloo. Das Familienfundament ist erschüttert. Der Italoschweizer Silvio Soldini schildert dieses alltägliche Drama präzis und unprätentiös, unaufdringlich, solide realistisch und einfühlsam.
Dunkle Wolken ziehen auf. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft's Michele (authentisch und glaubhaft: Antonio Albanese). Seine Firmenpartner stellen ihn ins Abseits. Arbeitslos. Er schliddert in eine existenzielle Krise, während seine Frau Elsa (ideal besetzt: Margherita Buy) ein Hoch erlebt: Sie hat ihren Wunschtraum erfüllt, ihr Kunstgeschichtsstudium brillant abgeschlossen und wird in ein Team berufen, das ein Deckenfresko restauriert.
Tochter Alice (Alba Rohrwacher) geht ihre eigenen Wege und führt ein Restaurant. Michele kaschiert seine Situation - zwei Monate lang. Dann kann er die Situation nicht mehr verheimlichen. Eine geplante Reise nach Kambodscha platzt. Die Ersparnisse schmelzen, das Boot und das Haus müssen verkauft werden. Die gutbürgerliche Existenz ist in ihren Grundfesten erschüttert. Michele ist wütend auf seine Geschäftspartner, die ihn aus dem Unternehmen gemobbt haben, gleichzeitig hilflos und wie gelähmt. Er versucht halbherzig, einen Job zu finden, verdingt sich zeitweise als Vespa-Kurrier und vergeht vor Selbstmitleid. Die Eheleute, beide in den Vierzigern, stecken tief in der Krise.
Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle, des Lebens: Michele kann den Schicksalsschlag schwer verkraften, lässt sich hängen, setzt seine Liebe, seine Ehe aufs Spiel; Elsa kann besser mit der fatalen Situation umgehen, sie stemmt sich gegen und ist Realistin genug, sich und ihre Träume nicht aufzugeben. Im Gegensatz zu seinem Kinoerfolg «Pane e Tulipani» (mit Bruno Ganz) aus dem Jahr 2000 hat sein neuer Film «Giorni e nuvole» keinen heiteren Grundton, keine märchenhaften Zwischentöne. Genua wird zur schroffen Grossstadtkulisse, die Gefühle zu ersticken droht.
Soldini beobachtet und inszeniert genau. Das wunderbare Schlussbild einer Annäherung unter dem restaurierten Fresko macht Hoffnung. Doch der Film legt sich nicht fest. Die Beziehung von Michele und Alsa bleibt labil. Soldinis "Szenen einer Ehe" ist unaufdringlich, einfühlsam und emotional überzeugend: «Giorni e nuvole» ist auf Erfolgskurs und wurde 15mal für den italienischen Oscar, den «David di Donatello», nominiert.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 14 Jahren
Was für ein lyrischer Titel für ein ernstes Thema unserer Zeit. Die Arbeitslosigkeit führt eine gut situierte Familie an den unteren Teil der sozialen Leiter. Trotz massiver akustischer und physischer Auseinandersetzung bleibt der Grundtenor doch irgendwie positiv. Man nimmt dem Ehepaar die scherwiegende Problematik der Abwärtsmobilität nicht so recht ab - vielleicht weil stets viel zu schnell Hoffnung auf bessere Zeiten in Sicht ist. Möglicherweise will Soldini betonen, dass Frauen bei der Jobsuche flexibler sind als Männer und von daher eher einsetzbar, möglicherweise will er die Betroffenen ermuntern nicht aufzugeben. Auf alle Fälle zeigt er nicht die pickelharte Realität, wenn man von oben ganz plötzlich in Hartz IV landet. Er zieht eine Puderzucker-Lösung vor, in der man sich händchenhaltend den Neuanfang verspricht. Für die, die es wirklich betrifft ist es weder lustig noch interessant und für die anderen ebenso.… Mehr anzeigen
Eine Situation, mit der jeder jederzeit konfrontiert sein kann: Stelle weg, Geld weg, Status weg. Der Film zeigt glaubwürdig, wie ein Paar mit dieser Situation umgeht, indem sie sich erst als Individuum, dann als Paar neu finden.
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