Liebesleben Deutschland, Israel 2007 – 115min.

Filmkritik

Kompromisslose Selbstsuche

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Die deutsche Schauspielerin Maria Schrader verfilmt in ihrem Regiedebut die Geschichte einer israelischen Studentin, die kurz vor dem Abschluss ihres Studiums in den Strudel einer Sinnsuche gerät.

Jara ist eine israelische Studentin (Netti Garti), die bereit ist, alles in Frage zu stellen und die Kontrolle über ihr Leben aus der Hand zu geben. Mit Arie (Rade Serbedzija), einem Jugendfreund ihrer Eltern, geht sie eine ungestüme und verstrickte Sexbeziehung ein. Dass der machoide Arie sie schlecht behandelt und in Situationen bringt, die sie überfordern, lässt Jara genauso wenig innehalten, wie die Tatsache, dass sie im Begriff ist, sowohl ihre Ehe als auch ihre akademische Karriere aufs Spiel zu setzen. Unerbittlich fordert sie die Liebe und das Leben heraus, um zu finden, was sie sucht. So stellt Jara nicht nur sich selber vor unangenehme Tatsachen, sondern auch ihre Eltern - und lang gehütete Familiengeheimnisse kommen zum Vorschein.

"Liebesleben" basiert auf dem gleichnamigen Bestseller der israelischen Schriftstellerin Zeruya Shalev. Eindringlich und metaphernreich schildert Maria Schrader die Hauptfigur Jara als widersprüchliche, getriebene Frau, die kompromisslos ihren Weg geht, im Wissen, dass er sie ins Verderben stürzt. Einmal sieht sich Jara als nacktes, totes Reh auf Aries Schultern liegen. Ein starkes und zugleich heikles Bild, Jaras Sehnsüchte bildnerisch umzusetzen und zugleich ihre Abscheu davor darzustellen.

Mit Arie kommt es zu Sexszenen, die den Grat zwischen Sex und Vergewaltigung zu einer hauchdünnen Schnur werden lässt. Das erfordert viel inszenatorisches Feingefühl und Liebe zur Figur. Hier liegt die Stärke von Maria Schraders Regiearbeit. Ihr gelingt das Kunststück, durch Jaras kompromissloses und zeitweise unverständliches Verhalten den Zuschauer vor den Kopf zu stossen und ihn gleichzeitig diese dunkle Faszination spüren lassen. Und sie hat mit Netti Garti und Rade Serbedzija Schauspieler gefunden, welche die Dichte der Figuren beeindruckend umzusetzen vermögen. Wie die beiden Autorinnen Shalev und Schrader sensible Frauenthemen anpacken, von denen viele im emanzipatorischen Diskurs tabuisiert wurden, ist mutig und zeitweise verstörend. Und gerade deshalb einen Kinobesuch wert.

04.12.2007

4

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Wenn man mit Logik an das ’Liebesleben’ herangeht, versteht man zunächst gar nichts vom eigentlichen Problem und folgt der Handlung nur verwundert. Es ist nicht uninteressant, was man da so zu sehen bekommt. Mit dieser Haltung des Zuschauers spielt Maria Schrader über weite Strecken des Films, denn der will ja alles irgendwie verstandesmäßig nachvollziehen. Was am Anfang wie eine sexuelle Abhängigkeit aussieht, entpuppt sich fast als Inzest-Drama. Alter, satter Mann und hungrige, junge Frau, die seine Tochter sein könnte - vielleicht sogar ist. Dabei geht es recht turbulent zu. Die schrittweise Auflösung des Beziehungsrätsels ist so gut gemacht, dass es am Ende überrascht und sogar eine zukünftige Entwicklung andeutet. Schrader hat einen gewagten Film gemacht, der optisch und thematisch beeindruckt ohne abzustoßen.Mehr anzeigen


bolanos

vor 16 Jahren

Ein etwas seichter Film. Man hätte vielleicht mehr daraus machen können, wenn im Film hebräisch od. zumindest französich (die Familie kam aus Paris) gesprochen würde. Das Englische kam indiesem Film total unnatürlich rüber. Auch die Hauptdarstellerin hat mich nicht überzeugt.


dorcas

vor 16 Jahren

Wer das Buch mochte, wird diesen Film schrecklich finden. Es wird Englisch gesprochen weil Schrader nicht Hebräisch kann und die intensive Sprache des Buches wird reduziert auf einige plumpe Szenen, die umso unglaubwürdiger wirken weil die Hauptdarstellerin so spielen muss, wie Schrader es zu tun pflegt: hysterisch und überdramatisierend... SchadeMehr anzeigen


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