Machtlos Südafrika, USA 2007 – 115min.

Filmkritik

Foltern für den Frieden

Filmkritik: Wisi Greter

"Rendition" bedeutet eigentlich "Überstellung". Doch es bezeichnet auch die unter US-Präsident Clinton eingeführte Praxis, mutmassliche Terroristen in Länder zu verschleppen, wo man es mit der Folter nicht so genau nimmt. Ein gutes Thema - doch macht das leider nicht zwingend einen guten Film.

Der Terrorverdächtige, aus dem man ein Geständnis oder zumindest ein paar Informationen herauspressen will, ist im Film "Rendition" Anwar El-Ibrahimi. Sein Vergehen? Offensichtlich wurde ein paar Mal auf sein Handy angerufen, von einem Telefon, auf das vielleicht ein wichtiger Terrorist Zugriff hat. Zuhause in den USA wartet seine hübsche, blonde, schwangere Frau (Reese Witherspoon). Sie hat keine Ahnung, wo ihr Mann steckt, sie wartet darauf, dass er endlich von einer Geschäftsreise nach Hause kommt. Dass er bei der Zwischenlandung in Washington verschleppt wurde, sagt ihr niemand. Das sind die Regeln im Krieg gegen den Terror.

Die Männer, die in einem ungenannten nordafrikanischen Land ein Geständnis aus El-Ibrahimi herausfoltern wollen, sind keine namenlose Ungeheuer. Im Gegenteil: Da ist der CIA-Analytiker Douglas Freeman (Jake Gyllenhaal), in dessen Armen ein Kamerad bei einem Attentat starb und der nun für ihn bei der "Befragung" einspringt. Oder der Polizist Abasi Fawal, der seit Tagen nach seiner Tochter sucht, die sich vom Patriarchen entfremdet hat und mit ihrem Freund durchgebrannt ist. Und irgendwo darüber hält die CIA-Antiterror-Chefin Corrine Withman (Meryl Streep) die Fäden in der Hand, im unerschüttlichen Glauben, das Richtige zu tun.

Das tun wohl auch die Filmemacher. Tatsächlich ist "Rendition" anständig gemacht, überrascht immer wieder, und ein schwieriges Thema wurde - das ist nicht negativ gemeint - Hollywood-gerecht und massenkompatibel umgesetzt. Doch reicht das? "Rendition" wertet, will aber keine Anklage sein, oftmals beschränkt sich der Film darauf, zu zeigen, was ist. Die vielen Geschichten auf verschiedenen Kontinenten versuchen, sich zu einem stimmigen Gesamtbild zu verdichten, doch leider ist "Rendition" kein "Babel" geworden. Dem Film fehlt es an Gewicht, und er verspricht mehr, als er halten kann.

Dazu kommt aus europäischer Sicht noch ein weiteres Problem: Die Botschaft, dass die US-Regierung ihren Kampf gegen den Terror übers Völkerrecht stellt, überrascht hier keinen mehr. Schockierend wäre doch vielmehr, dass unsere eigenen Regierungen beide Augen zudrücken, wenn die CIA in Europa Terrorverdächtige verschleppt, dass deutsche Geheimdienstler bei Befragungen mit dabei sein sollen, dass sich einige dieser geheimen Gefängnisse vermutlich auch auf EU-Territorium befinden. Das dies in "Rendition" nicht erläutert wird, ist kein Fehler des Films. Aber es schmälert seine Relevanz.

17.02.2024

3

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Kommentare

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goso

vor 16 Jahren

Alles wunderbar und toll kommentiert von meinen Vorrednern. Eines wundert mich doch sehr. Nur einer vor mir hat auf den Sprung in dem Zeit Kontinuum hingewiesen.

Er hat mich extrem gestört. Auch weil er völlig unnötig war. Der Film macht seine Punkte auf politischer Ebene. Warum nun das Attentat, mit dem der Plot anfängt, sich wiederholt, diesmal die Tochter des obersten Polizisten mit am Tatort ist und auch zum Opfer wird… wo sie doch gerade von ihrem Vater gesucht wird, der sich die letzten Tage mit dem Verhör eines vermeintlichen Mitwissers dieses Anschlags befasst hat.

Was ist Hollywood’ s Obession mit dem Trick des Risses im Zeitkontinuum. Mal nach vorne, mal nach hinten, um die Zukunft / Gegenwart zu beeinflussen… enough of it. Und in diesem Film ganz besonders unnötig.Mehr anzeigen


nikd

vor 16 Jahren

Nur weiterlesen, wer den Film gesehen hat.

Fehlende Tiefe und Substanz? Mitnichten. Vorher sehen wir Europäer wohl die Tragweite dieses Films nicht. Ich wäre supergespannt zu wissen, was für Reaktionen dieser Film in der Arabischen Welt auslösst. Weil er Gut und Böse nicht an der Nationalität oder dem Glauben festmacht, sondern am Handeln.

Neben der offenen Frage nach dem Sinn von Folter, hält der Film auch den moderaten "Islamisten" einen Spiegel hin. Wir lernen einen sympathischen Selbstmordattentäter kennen, der im entscheidenden Moment erkennt, welch dummer Fehler er begeht, seine Zukunft verliert, seine Liebe mit in den Tod reisst und damit noch mehr Hass und Gewalt schürt. Der Film hält fest; Terroristen sind mitverantwortlich, dass Arabisch stämmige Männer wie Anwar El-Ibrahimi unter Generalverdacht gestellt werden.

Der Film nimmt die Amerikaner wie auch die Terroristen in die Verantwortung.Mehr anzeigen


nikd

vor 16 Jahren

Damit will ich jetzt nicht gleich alle in einen Topf werfen. Aber Hollywood versteht sein Handwerk deutlich besser.

Filme die zu 90 Minuten-Anklagen werden, sind langweilig - weil jede Handlung zwangsläufig vorhersehbar wird. Erst wenn wir als Zuschauer den inneren Konflikt des CIA Agenten spüren und die CIA-Antiterror-Chefin Corrine Withman die andere Seite zeigt, können wir als Publikum unsere eigenen Antworten finden.

Auch versteht es Hollywood sich auf wesentliches zu konzentrieren. Man stelle sich vor; 4: 20 Flughafen Zürich. Anruf aus Washington: "Wir haben hier ein Flugzeug, dass bei euch zwischenlanden muss. Es kommt aus den USA und will nachher nach Nordafrika... ". Diese Szene wäre inhaltlich wie geografisch sinnlos gewesen. Als Alternative hätte man die Entführung auf seiner Rückreise bei einer Zwischenlandung in Madrid machen können. Doch damit beraubt man der Szene am Flughafen, wo seine Frau mit dem Kind vergeblich wartet, die ganze Dramatik der Nähe.

Nur weiterlesen wer den Film kennt:
Hat die Filmkritik bemerkt, dass der Zeitstrang mit Abasis Tochter vor dem Attentat spielt und das Verhör die Folge davon ist? War ein sehr schöner Twist und ich überlege, ob ich diesen schon einmal so gesehen habe.Mehr anzeigen


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