Die Stadt der Blinden Brasilien, Kanada, Japan 2008 – 120min.
Filmkritik
Gewalt, Sex und Moral
Nicht mit den Augen, sondern nur mit dem Herzen sieht man richtig - so Pilcher'esk kann die Kernaussage der Verfilmung von José Saramagos Bestseller "Die Stadt der Blinden" umschrieben werden. Und das, obwohl Regisseur Fernando Mereilles in "Blindness" nicht mit Bildern von Gewalt, Sex und Postapokalypse geizt.
Eine mysteriöse Krankheit überfällt die Menschheit: Eine Person nach der anderen erblindet, ohne dass eine medizinische Ursache auszumachen wäre. Statt der üblichen Schwärze nehmen die neu Erblindeten nur noch Weiss wahr, als würden sie durch einen Milchsee schwimmen. Die Regierung des namenlosen Staates reagiert, indem sie die Infizierten in ein verlassenes Sanatorium sperrt. Dort sind sie, abgesehen von Essenslieferungen und martialischer Bewachung, komplett sich selbst überlassen. Einzig die Ehefrau eines Augenarztes (gespielt von Mark Ruffalo und Julianne Moore, die hier irritierenderweise wie Madonna aussieht), die ihren Mann nicht alleine lassen wollte, kann noch sehen, hütet dieses Geheimnis aber trotz immer desaströserer Zustände in dem vor Menschen, Schmutz und Gewalt überquellenden Asyl.
Wie lässt sich Blindheit im visuellsten aller Medien visualisieren? Statt wie z.B. Derek Jarman einfach mal einen ganzen Film lang eine blaue Leinwand zu zeigen, setzt Regisseur Fernando Mereilles ("City of God", "The Constant Gardener") auf die konventionellere Variante kalt strahlender, ästhetisch überbelichteter Bilder, die in manchen Momenten ins Schwarze oder Weisse verschwimmen aber trotzdem klassisch narrativen Mustern folgen. Mit der - wie alle - namenlosen Figur der eigentlich recht unbedarften Arztgattin, die dank ihrer Sehkraft zu einer Art Übermutter wird und über sich hinauswächst, verfolgt das Publikum voyeuristisch das hilflose Herumtappen der Blinden. In drastischen Bildern wird ein postapokalyptischer Gesellschaftszustand heraufbeschworen, in dem kriegsähnliche Verhältnisse herrschen. Die "Botschaft", die am Ende stehen bleibt, ist in ihrem religiösen Moralismus reichlich banal: Gemeinsam sind wir stark, und überhaupt kann man nur mit dem Herzen richtig sehen.
Nobelpreisträger José Saramago, auf dessen Roman "Die Stadt der Blinden" (1995) der Film basiert, habe sich lange geweigert, die Filmrechte für sein Werk zu verkaufen, da er Angst gehabt habe, der Stoff könne in die falschen Hände fallen und die politische Aussage verwässert werden. Ein Statement, das über Gender-Klischees, den Wert des Kommunitarismus und das gute alte "homo homini lupus" hinausgeht, ist in dieser Verfilmung aber sowieso nicht angelegt. Stattdessen gibt es Imaginationen postzivilisatorischer Städte, die man so oder so ähnlich schon zu oft gesehen hat und eine, zwar rasant abgewickelte, aber zu wenig verdichtete Story. Immerhin wird die schön erzählte, mit guten SchauspielerInnen besetzte biblische Botschaft von Zerfall und Neuerschaffung der Welt es einigen warm ums Herz werden lassen.
Dein Film-Rating
Kommentare
Eine etwas bedrückende Einsicht in die Natur der Menschheit.
Sehr eindrücklich und mit top Schauspielern.
Ja, Daniela. Dies ein selten missratener Katastrophenfilm... Ich hab das Buch nicht gelesen und kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Nobelpreisträger eine solche Katastrophe auf so lächerliche und plakative Art und Weise beschreiben könnte... Wenn ich null Sterne geben könnte, würde ich's tun... Aber leider geht das nicht...… Mehr anzeigen
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