Il divo Frankreich, Italien 2008 – 110min.
Filmkritik
Dekonstruktion eines Diabolikers der Macht
Das Biopic von Paolo Sorrentino über den siebenfachen italienischen Premierminister Giulio Andreotti ist einer der komplexesten und spannendsten Politthriller seit Langem. Und Hauptdarsteller Toni Servillo ist in seinem abgrundtiefen Zynismus eine Wucht.
Am Anfang ist die Leinwand lange schwarz, in rasender Abfolge erscheinen in roter Schrift die Dramen italienischer Politik der letzten vier Jahrzehnte. Wichtigstes Ereignis war dabei die Entführung und Ermordung von Aldo Moro, Parteichef der regierenden Christdemokratischen Partei, durch die linksterroristischen Roten Brigaden im Jahr 1978. Es folgen Geheimloge P2, der Tod des Vatikan-Bankier Roberto Calvi, diverse Mafia-Morde - der Kopf beginnt zu dröhnen angesichts so vieler Fakten. Endlich erscheint der Kopf eines Mannes, bei dem die Fäden zusammenlaufen: Giulio Andreotti (Toni Servillo), ein bebrillter, freundlicher, kleiner buckliger Mann, der mit ausdrucksloser Stimme sagt: "Ich bin seit über fünfzig Jahren in der Politik, viele Leute haben mir mein baldiges Ende vorhergesagt, aber heute sind sie es, die tot sind, ich aber bin noch da."
Alle Personen aus "Il divo" gibt oder gab es, die meisten leben noch, so auch Giulio Andreotti, er ist heute 90. In rasanter Folge treten auf: Parteifreunde, (Ex-)Minister, Mafiosi, Wirtschaftsführer, Journalisten, innert kürzester Zeit droht man als Zuschauer den Überblick zu verlieren. Doch das sieht man dem Film mit seinen hervorragenden Schauspielern und den rasanten Schnittfolgen nach, denn durch die dramaturgisch geschickt eingestreuten lakonischen Bemerkungen des Protagonisten wird man bei der Stange gehalten.
Ausserdem gibt es im ganzen Faktenwust durchaus jene Hauptstränge, an die man sich halten kann: Andreotti wusste, dass nur zwei Menschen jene Aufzeichnungen kannten, in denen Aldo Moro seinen Parteikollegen Andreotti schwer belastete: Der Journalist Mino Pecorelli und der Polizeigeneral Carlo Alberto dalla Chiesa. 1979 wurde der eine, 1982 der andere ermordet. Zu den Mordvorwürfen sagt jemand: Wenn Giulio hätte anfangen wollen, Leute töten zu lassen, die ihn störten, würde doch ein ganzer Friedhof dafür nicht ausreichen.
Gegen Ende des Films steuert alles einem Prozess zu, der dem "Göttlichen" wegen seiner Mafia-Verbindungen gemacht wird. Da gibt Andreotti den Aristokraten. Er weiss nichts und verkündet im Schlusswort: "Auch wenn ich davon ausgehe, dass alle Menschen vor Gott gleich sind, möchte ich doch dem Gericht zur Kenntnis bringen, wie sehr es mich gekränkt hat, mich mit solchen Leuten auseinandersetzen zu müssen." Mit Andreotti allerdings setzt man sich gerne auseinander, man ist am Ende der zwei Filmstunden fix und fertig ob des Who is Who italienischer Politik. Und dennoch hätte man gerne noch zwei Stunden weitergeschaut.
Dein Film-Rating
Kommentare
Am 15. Oktober kommt der Film auf DVD.
Deshalb unbedingt in italienischer Originalversion anschauen!
Hier noch ein Quiz für alle Interessierten.
http: //www. moviepilot. de/news/das-skandal-quiz-zum-dvd-start-von-il-divo-104077
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