Novemberkind Deutschland 2008 – 98min.

Filmkritik

Schattenwelten, sepiagetönt

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

20 Jahre nach dem Mauerfall erzählt Christian Schwochow eine ostdeutsche Geschichte, die klein und doch universell sein will. Leider scheitert er an zu großen Ansprüchen: Zu wenig verlässt sich der Regisseur auf seine herausragenden Darsteller, zu konstruiert wirken die Wendungen der überladenen Story.

Inga (Anna Maria Mühe) arbeitet als Bibliothekarin im ostdeutschen Örtchen Malchow, eng verbunden mit ihren Grosseltern und der besten Freundin. Eine Begegnung mit dem schweigsamen Literaturprofessor Robert (Ulrich Matthes) aus Konstanz bringt bald Unruhe in Ingas Leben: Robert scheint Puzzlestücke aus ihrer Vergangenheit zu kennen, die darauf hindeuten, dass ihre Mutter nicht in der Ostsee ertrank, sondern das Kind für eine Flucht in den Westen im Stich liess. Auf die gemeinsame Spurensuche begibt sich Robert allerdings nicht so uneigennützig wie Inga vermutet.

Nach dem durch Stasi-Vorwürfe geprägten Trennungskrieg ihrer inzwischen an Krebs verstorbenen Schauspieler-Eltern Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe wagt Anna Maria Mühe hier mit einer Doppelrolle ein doppeltes Risiko: Sie spielt Tochter und Mutter gleichermassen und sie betritt thematische Gefilde, die durchaus biographische Parallelen zulassen. Diesen Mut muss man goutieren, und ebenso wie ihrem Ko-Darsteller Ulrich Matthes kann man nicht ihr den Vorwurf für das Scheitern dieses ambitionierten Debüts machen.

Die von Regisseur Christian Schwochow gemeinsam mit seiner Mutter entwickelte Geschichte will einfach zu viel: Zwei Innensichten zweier Hauptfiguren, keine wirkliche Liebesgeschichte, nur ein halber, oder dann doch ein ganzer Verrat, eine brav erzählte Suche, zaghaft humoristische Untertöne, die dann doch von Pathos erschlagen werden, allzu offensichtliche bildliche Metaphern und allem voran die komplett überflüssige Entscheidung, jede Nuance der vergangenen Geschichte um die Mutter in sepiagetönten Rückblenden auszubuchstabieren. Zu konstruiert wirkt hier die Handlung, zu reibungslos erfolgen die Stationen der Suche, zu wenig komplex vermitteln sich letztlich die inneren Verstrickungen um Abschied, Identität und Verrat.

Weniger Handlungsebenen und visuelle Klischees, dafür mehr psychologische Tiefe hätten diesem Film gut getan - das generelle Wagnis dieser Geschichte eingegangen zu sein, das muss aber nicht nur Anna Maria Mühe, sondern auch dem Regisseur positiv angerechnet werden.

17.02.2024

2

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Kommentare

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gefuehlsmensch

vor 10 Jahren

Toller Film, gute Story


windfeeli

vor 14 Jahren

Also ich schliesse mich an, ich fand den Film ganz toll. Sehr sensibel, sehr subtil und Anna Maria Mühe spielt eh alle an die Wand. Ich fand es auch etwas verwirrend, dass sie ihre eigene Mutter selbst gespielt hat, man hätte diese Szenen vielleicht noch etwas deutlicher abgrenzen sollen, aber irgendwann hat man's dann gecheckt und dann ist es auch okay.

Familiengeschichten wie diese gab es viele damals nach dem Krieg und in den Jahren der Mauer und ich finde, es ist wichtig, sie zu erzählen.

Ein super Film und für einen Erstling höchst bemerkenswert.Mehr anzeigen


neverland

vor 14 Jahren

trotz neg. kritik, finde ich diesen film unbedingt sehenswert, grossartige schauspielerische leistung, gute, wenn auch traurige story... und so passennd zum nassen, tristen november...


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