Tulpan Deutschland, Italien, Kazakhstan, Polen, Russische Föderation, Schweiz 2008 – 103min.
Filmkritik
Die Flüsse von Babylon in der Steppe
In berührenden Bildern erzählt Sergei Dwortsevoj vom anspruchslosen Leben in einer herausfordernden Landschaft. Der kasachische Film wurde 2008 in Cannes mit dem "Prix Un Certain Regard" und in Zürich mit dem "Goldenen Auge" ausgezeichnet.
Als der Matrose Bulat seinen Militärdienst beendet hat, zieht er zur Familie seiner Schwester in die kasachische Steppe, um Schafhirte zu werden. Zuerst möchte er eine Frau finden, doch die sind in der Einöde eher selten gestreut. Er setzt seine Hoffnungen auf Tulpan, die er zwar nie zu Gesicht bekommt, von der er aber verzaubert ist. Nur findet sie seine grossen abstehenden Ohren völlig inakzeptabel.
Es kommt also vorläufig zu keiner Hochzeit. Als Bulat erfährt, dass er ohne Frau in der «Steppe des Hungers» keine Schafherde erhält, bringt ihn das langsam zur Verzweiflung. Zudem wird der Schwager immer unzufriedener mit dem zusätzlichen Gast und dessen Arbeit. Für zusätzliches Kopfzerbrechen sorgen die Schafe, die in letzter Zeit alle Lämmer tot zur Welt bringen.
Sergei Dwortsevoj hat ein vorzügliches Auge für die Landschaften und Menschen. Die Wahl der Einstellungen liefert immer wieder traumhafte Momente. Das passt auch zum Thema des Films, der von unerfüllten Träumen der modernen Gesellschaft handelt. Anstatt dem Leben in der Stadt zieht Bulat zwar die Einsamkeit der Steppe vor, wünscht sich aber trotzdem ein grosses Haus und eine Satellitenschüssel, um 900 Fernsehsender zu empfangen.
Die Zivilisation ist weit entfernt von den Schafen, Dromedaren und Jurten in der Steppe, wo der Tagesablauf immer noch von der Tradition geprägt ist. Doch die Verlockungen dringen immer wieder in die Handlung ein, sei es durch Bilder aus Magazinen, teure Süssigkeiten oder dem Kassettenspieler im Traktor des Händlers Boni, aus dem stetig «Rivers Of Babylon» von Boney M. scheppert. So ist «Tulpan» auch ein Dokumentarfilm vom kargen Leben in der Steppe von Kasachstan.
Doch «Tulpan» fordert vom Publikum auch eine angemessene Portion Beharrlichkeit. Dwortsevoj passt sich ganz dem Rhythmus seiner Figuren an. Wenn die Geburt eines Schafes fünf Minuten dauert, dann wird dieses Ereignis auch ungeschnitten fünf Minuten gezeigt. Zudem strapaziert Dwortsevoj die Geduld auch durch zu viele und vor allem zu gemächlichen Wiederholungen. Dennoch überzeugt das Drama durch sorgfältig konstruierte Bilder und eine tüchtige Menge an Authentizität.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 13 Jahren
ein wunderschöner Film mit atemberaubenden Momenten und Bildern der zugleich auch witzig ist. Eine Seltenheit, denn das ist Kino.
Wenn man an Steppe denkt, kommt einem nicht sehr viel in den Sinn. Wenig Pflanzen, viel Erde. Nie und nimmer würde man denken, dass es da so bunt zu und her gehen kann, wie es "Tulpan" zeigt. Dieser Film verbindet eine wunderbar dramatische und gleichzeitig lustige Geschichte wie kein anderer mit atemberaubenden Bildern von einem Ort auf der Erde, auf dem, so könnte man meinen, nicht in tausend Jahren auch nur ein Mensch vorbeiziehen würde.
Man war nicht im Kino. Man war in der kasachischen Steppe. Und es war überwältigend.
Man war nicht ein Zuschauer. Man war ein Teil der Familie. Und es war echt.
Wirklich, ein toller Film.… Mehr anzeigen
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