Vicky Cristina Barcelona Spanien, USA 2008 – 96min.

Filmkritik

Es lebe das alte Europa!

David Siems
Filmkritik: David Siems

Woody Allen hat die Leichtigkeit wiederentdeckt: Sein neuer Film ist eine Hommage an Barcelona und die Freigeistigkeit der Liebe im alten Europa. Da guckt Amerika dumm aus der Wäsche.

Für die einen ist er ein schlichter Filmhandwerker, der seinen künstlerischen Zenit seit einem Jahrzehnt überschritten hat. Für die anderen ist Woody Allen noch immer ein visionärer Philosoph, der auch mit 73 den immer wiederkehrenden Fragen nach den Ungereimtheiten der menschlichen Liebesbeziehungen neue Beachtung schenkt. Die Spielarten hat er in den letzten Jahren variiert: Waren "Match Point" und "Cassandra's Dream" noch Dostojewski-verliebte Moralstudien über Schuld und Sühne, ist sein neuer Film wieder von der fast schon unerträglichen und sommerlichen Leichtigkeit des Seins beseelt, die Allen-Fans zuletzt bei "Melinda & Melinda" verspürt haben dürften. "Vicky Cristina Barcelona" ist ebenso eine Meditation über die Liebe mit all ihren Nebenwirkungen, unbeschwertes Sittengemälde der freien Liebe, eine Hommage an die europäischen Lebensgewohnheiten und ein ironischer Schmähruf auf den "American way of life".

Die beiden Amerikanerinnen Vicky (Rebecca Hall) und Cristina (Scarlett Johansson) verbringen den Sommer in Barcelona. Bei einer Vernissage lernen sie den Künstler Juan Antonio (Javier Bardem) kennen, der den Frauen ein Angebot macht: "Kommt mit für ein Wochenende nach Oviedo, wo wir alte Kirchen, guten Wein und unsere nackten Körper genauer erforschen wollen." Vicky, bodenständig und bereits verlobt, ist empört. Cristina, offen für jedes Abenteuer, ist begeistert und überredet ihre beste Freundin schließlich. Während des Kurztrips geraten selbstverständlich Körperflüssigkeiten und echte Emotionen in Wallungen, was dadurch verkompliziert wird, dass sich Juan Antonios Ex-Frau (Penélope Cruz) wieder in sein Leben drängt.

Woody Allen begegnet den amourösen Komplikationen noch immer mit gesunder Ironie, die allerdings niemals in Slapstick ausufert. Es ist viel mehr seine erotische Fantasie, der er hier freien Lauf lässt: Javier Bardem, eindeutig sein Alter Ego in diesem Film, ist gefangen zwischen drei Frauen, während sich Scarlett Johansson und Penélope Cruz sogar lieben dürfen. Viel interessanter ist allerdings der subtile Vergleich, den Woody Allen zwischen Europa und Amerika anstellt. Wo er Barcelona mit seiner Architektur und die Bewohner mit ihrer freien, chaotischen und künstlerischen Lebensweise feiert, degradiert er den amerikanischen Lifestyle und seine Vertreter zu langweiligen Schnöseln. Vickys Verlobter ist ein geleckter Businessman, der vom sterilen Eigenheim mit Tennisplatz träumt, während Juan Antonio (wie auch sein Vater) in einem traditionellen Künstlerhaus lebt, aus dessen alten Gemäuern das wahre Leben ächzt.

Von diesen Symbolen wimmelt die subtile Komödie, die in all ihrer Kurzweiligkeit sich über die Liebe eher lustig macht und zu dem Schluss kommt, dass feste Bindungen im Leben in Wahrheit nur etwas für bourgeoise Langweiler sind, die ihr Polohemd lieber in, statt über der Hose tragen. "Vicky Cristina Barcelona" bleibt in Erinnerung wie der charmante Urlaubsflirt mit der schönen Unbekannten letzten Sommer. Man denkt immer wieder gerne zurück.

05.08.2024

4

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Kommentare

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cinesunny

vor 13 Jahren

Absolut sexy, hocherotisch, sommerlich!


matchpoint78

vor 14 Jahren

Für Fans von Barcelona, Scarlett Johansson und Penelope Cruz in Woody Allen sauce


tuvock

vor 15 Jahren

Ich verstehe es nicht. Wenn ich da eine Ava Gardner denke, an eine Audrey Hepburn, an eine Hedy Lamarr, die waren 10 x mehr Musen. Woody hat sich für Penelope entschieden weil er sie in „Volver“ gesehen hatte, und eben da ist er auf die Idee gekommen die Cruz mitspielen zu lassen. Und Almodovar sieht sie als seine Muse, ja die Frau ist wirklich ne Muse, eine Frau die man einfach nur ansehen kann und sich sofort entscheidet sie zu heiraten, die Frau ist ein stiller Vulkan, eine Romy Schneider mit Pushup BH, ja eine wahnsinnig tolle Frau.

Für Medieninteresse sorgten ebenfalls Meldungen über eine lesbische Szene mit Scarlett Johansson und Penélope Cruz. Johansson selbst bezeichnete den Kuss zwischen ihnen jedoch als „das Unsexieste, was man sich vorstellen kann. Ungefähr 60 Männer von der Crew saßen Salami kauend um uns herum. " Was eigentlich witzig ist, da ist nichts lesbisches was mir am Film gefiel ist die Offenheit und Ehrlichkeit von Vicky, Christina ist nicht so ein Mensch, die ist eher was Verschlagenes. Vielleicht kann man noch erwähnen, dass die süße Spanierin Penélope Cruz wurde für die Rolle der María Elena den spanischen Goya, britischen BAFTA Award und einer Oscar-Nominierung erhalten sollte. Cruz, Javier Bardem, Rebecca Hall erhielten Nominierungen bei der Golden-Globe-Verleihung 2009, während Allens Regiearbeit mit dem Preis als beste Filmkomödie ausgezeichnet wurde. Penélope Cruz wurde 2009 für ihre Darstellung der Marie Elena mit dem Oscar für die beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Und der ist meiner Meinung nach gerechtfertigt.

Was den Film mysteriös gestaltet ist die Erzählstimme, der Film ist eigentlich wie ein Gemälde, er ist einfach so schnell dahingezeichnet, und er wirkt auch so, viele Szenen aneinander geheftet dass aber als eine Geschichte wirkt, sei es der Einsatz von Musik der nicht nötig ist aber dazu passt oder viele Szenen die einfach so da sind aber im Ganzen die Geschichte zu einem Epos machen sollten. Der letzte Film von Woody – „Cassandras Traum“ war glaube ich nicht so gut wie der, der aber nicht so gut ist wie seine alten Werke, ja er ist einfach anders, Dafür ist Javier ein guter Charakterdarsteller der auch als solcher wirken will und soll und ein Millionenpublikum in Spanien hängt an ihm wie früher an Antonio Banderas und bei uns ist er bekannt durch den Film „No Country for old Men“. Cruz ist 34 und leider nicht mehr solo, sie ist eine fantastische Schauspielerin eigentlich und hat ja schon den Oscar in der Hand. Auch wenn sie ihn für „Volver“ damals nicht bekam. Woody hat in 43 Regiejahren 41 Filme gemacht mit diesem hier. Seine alten Filme gefielen mir besser.

Was er in diesem Film gut schafft, er spielt in Spanien der Film und er soll aber irgendwo spielen und überall, die Landschaft, die Stadt, eine Menge Klischees, die man merkt, vergisst die sich aber einfügen wie Zucker in ein Donut, den größten Fettkiller auf der Welt nicht erst seit Homer Simpson. Der Film zeigt und porträtisiert seine Figuren ist aber weder für mich spannend, noch lustig noch überaus romantisch aber trotzdem ein guter Sommerfilm und ich muss sagen, ja ich mag ihn und ich kann ihn empfehlen für Cineasten aber nicht für Popcorneasten wie mich.

70 von 100Mehr anzeigen


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