Alle anderen Deutschland 2009 – 124min.
Filmkritik
Generation Orientierungslos
Eine hochkonzentrierte, punktgenau inszenierte und wunderbar subtile Beziehungsstudie eines jungen Paares auf der Suche nach dem gemeinsamen Selbst legt Maren Ade mit ihrem zweiten Langspielfilm vor.
Bereits in ihrem Leinwanderstling "Der Wald vor lauter Bäumen" bewies Maren Ade eine bemerkenswert eigene, die Inszenierung hinter fast dokumentarisch anmutender Authentizität geschickt verbergende Handschrift - und ein feines Gespür für die todtraurige Komik in den Geschichten selbstverschuldet Scheiternder. Diesmal durchmisst die dialoggewaltige Tour de Force der Adeschen Charakterstudien das Liebesleben eines studierten deutschen Durchschnittpärchens, das - auch hier ganz Prototyp - auf keinen Fall so sein will wie die Anderen.
Im sonnendurchfluteten Beziehungslaboratorium des elterlichen Ferienhauses: Chris, angehender Architekt, und Gitti, die in der Musikbranche jobbt. In der Isolation sardischer Urlaubsidylle ringen sie beständig zwischen Harmonie und Eskalation schwankend um all das, was ihrer Meinung das perfekte moderne Paarleben ausmacht. Sie haben tollen Sex und wilden Streit, versuchen tiefe Gespräche und offene Rollenmodelle und sie haben in einer belebten Ingwerwurzel den extravagantesten Paartherapeuten der Filmgeschichte.
Nun richten Menschen aber bei aller proklamierten Einzigartigkeit ihr Ich gerne an Anderen aus und dementsprechend gerät das fragile Paargefüge aus der Balance, als die beiden auf "die Anderen" treffen in Form von Erfolgsmensch Hans, einem betont jovialen Architektenkollegen von Chris und seiner schwangeren Freundin Sana, die ihren Liebsten trotz eigener Modedesignkarriere offen anhimmelt. Während sich Chris - von einer verlorenen Ausschreibung frustriert und sich Energiebündel Gitti latent unterlegen fühlend - im Machismo à la Hans zunehmend wohl fühlt, versucht Gitti vergeblich, sich und ihm in der traditionelleren Frauenrolle zu gefallen.
Die kindlichen Spiele der beiden kippen und legen immer brutalere Unterströmungen frei, echte Gefühle ersticken im generationstypischen, zwanghaft ironischen Umgang damit. Der dramaturgische Höhepunkt liegt ausgerechnet in einem Grönemeyer-Song, in dem etwas ausgedrückt wird, das die Figuren selbst einander nur unausgesprochen mitteilen können - ein unerwarteter und bezaubernd wahrhaftiger Kinomoment. Ebenso unverwechselbar einigartig wie Gittis letzter Versuch, einen Ausweg zu finden aus diesem diffusen Strudel von Gesprächen, in denen längst alles gesagt ist und wortlosen Machtkämpfen.
Allein für diese beiden Szenen lohnt der Kinobesuch, auch wenn sich leicht noch unzählige andere Bilder anführen ließen, die all das leisten, was nur großes Kino kann: Zum Lachen und zum Weinen bringen, mitfühlen und nachdenken machen, fremdeln und identifizieren lassen.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 15 Jahren
Wieder einmal mehr beweist der schwermütige deutsche Autorenfilm wie selten ihm Welthaltigkeit und Substanz gelingt und wie oft er, wie in diesem Fall, in bedeutungslose, ermüdende cinematografische Etüden verfällt.
Man vergleiche doch bitte wie souverän und brillant zynisch das angelsächische Kino mit problematischen Beziehungsmechanismen umgeht. (so z. Bsp. der Amerikaner Mike Nichols oder der Brite Mike Leigh).… Mehr anzeigen
habe ich mich auch aufgeregt über die Figuren. Aber das zeigt, wie hervorragend die Rollen dargestellt sind. Es ist keine leichte Kost, aber zwingt zur Selbstreflexion... und das schadet nicht.
Ich freute mich richtig auf diesen Film, versprach er aufgrund der Filmkritik sowohl Freud wie auch Leid. Lachen konnte ich kein einziges Mal. Die Figur des gescheiterten Architekten war unerträglich, dieser Mensch nervte mich von Anfang an, seine Freundin tat mir richtig leid, weil er in keiner Weise zu ihr stand, sondern sein Machogehabe voll ausgelebte. Fazit: langweilig und langatmig, die Hoffnung, dass der Film besser wird, wurde bis zum Schluss nicht erfüllt.… Mehr anzeigen
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