Bazar Frankreich, Schweiz 2009 – 108min.
Filmkritik
Harold and Maude in Genf
2002 entzückte uns die Welschschweizerin Patricia Plattner mit "Les petites couleurs", einem Roadmovie, in dem niemand vorwärts kam. Bernadette Lafont war auch damals mit von der Partie, und auch diesmal sind Besetzung und Bilder die Stärken, während das Drehbuch nicht in der selben Liga spielt.
Gabrielle handelt mit Antiquitäten und ist inzwischen selbst eine, wie sie an ihrem 60. Geburtstag erfährt. Doch an Ruhestand denkt sie nicht, obwohl sie für ihren Laden an guter Lage in Genf die Kündigung erhalten hat. Ihr Freundeskreis und ihre etwa 30-jährige Tochter, Ärztin von Beruf, legen ihr das Aufhören ans Herz.
Sie hat aber anderes im Kopf: einen jungen Portugiesen, den sie gerade erst kennengelernt hat und der sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt, um genug Zeit und Geld für seine künstlerischen Aktivitäten zu haben. Als er sie umwirbt, stößt er nicht auf viel Widerstand und wird so zum Realitätsfluchthelfer, denn wie könnte Gabrielle ihre Schwierigkeiten und ihr Alter besser vergessen als in Gesellschaft dieses 25-jährigen Beaus? Der gibt allerdings den undurchdringlichen Künstler und steigert so Gabrielles Neugier, bis sie in ihrer sprichwörtlichen Liebesblindheit von seinen Werken so begeistert ist, dass sie sich eine Rolle als Förderin und Mäzenatin erträumt.
Da haben sich offenbar die beiden richtigen im rechten Moment getroffen: Sie in ihrer Endlife-Crisis und er in seiner unausgegorenen Lebens- und Arbeitssituation. Beider Freundeskreise fangen angesichts der unkonventionellen Liaison gehörig an zu rotieren, und so bekommen einige Nebenfiguren ein überproportionales Gewicht, das Haupthema verliert dabei, obwohl es eigentlich Stoff genug böte. Die Geschichte verzettelt sich: Da ist zu viel Leerlauf, zu wenig Tempo und Witz für eine Komödie, zu wenig Packendes für eine Tragödie, die Figuren entwickeln keine Tiefe.
Vielleicht genießt man deshalb die erlesenen Farbtöne mancher Szenen und die hin und wieder aufblitzenden Bildperlen umso mehr, die von einer geschmackvoll stilgemixten Musik begleitet werden. Die Schauspielerinnen meistern ihre Rollen tadellos, und das mehrmals schnuckelig in Szene gesetzte beste Stück des jungen Liebhabers erobert wohl die Herzen des weiblichen und schwulen Teils des Publikums. Der komplementäre Rest des Publikums kann sich an der ansehnlichen Tochter Gabrielles erfreuen, die zwar immer etwas nachlässig gekleidet aber mit Lou Doillon, einer Tochter Jane Birkins, adäquat besetzt ist.
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