Die Päpstin Deutschland, Italien, Spanien, Grossbritannien 2009 – 148min.

Filmkritik

Eine Frau gegen das Dogma der Kirche

Thomas Hunziker
Filmkritik: Thomas Hunziker

Eine Legende besagt, dass im 9. Jahrhundert eine Frau zum Papst gewählt worden sei. Sönke Wortmann setzt sich in seiner Literaturverfilmung mit dieser Figur der Johanna auseinander. Entstanden ist ein biederes Historiendrama, das zwischendurch zur Parodie auf das Genre gerät.

Im Jahr, in dem Karl der Grosse stirbt, wird in Ingelsheim das Mädchen Johanna geboren. Die kleine Johanna (Tigerlily Hutchinson) ist überaus intelligent. Ihr Bruder bringt ihr Lesen und Schreiben bei, obschon der Vater das als Gotteslästerung betrachtet. Bei einem Besuch im Dorf wird der gelehrte Aesculapius (Edward Petherbridge), der Leiter der Domschule in Dorstadt, auf das wissbegierige Mädchen aufmerksam und nimmt sie unter seine Obhut. Jahre später wird Johanna (Lotte Flack) an die für Knaben bestimmte Domschule aufgenommen.

Auch Graf Gerold (David Wenham) ist von dem Mädchen beeindruckt und bietet ihr bei seiner Familie Unterkunft an. Neid und Eifersucht führen dazu, dass die erwachsene Johanna (Johanna Wokalek) gegen ihren Willen verheiratet werden soll. Da greifen die Normannen an. Nur Johanna überlebt das Massaker und flüchtet als Mann verkleidet in ein Benediktinerkloster. Über einen Umweg gelangt sie schliesslich nach Rom, wo sie wieder ihr Wissen einsetzt und Papst Sergius (John Goodman) von der Gicht heilt. Sie wird zu seinem intimsten Begleiter, was dem machthungrigen Nomenklator Anastasius (Anatole Taubman) überhaupt nicht gefällt.

«Die Päpstin» ist ein perfekter Einstieg für Philosophiediskussionen in der Schule und greift die Frage nach der Gleichstellung der Frau in der Kirche sehr eloquent auf. Für die Ansammlung an Weisheiten war dem Film auch das Prädikat «besonders wertvoll» von der deutschen Filmbewertungsstelle Wiesbaden auf sicher. Doch als filmisches Erlebnis ist der arg konventionelle Historienfilm ein von Anfang bis Ende unbefriedigendes Erlebnis. Da wird viel zu viel und oft auch zu banal geredet. Jede Tat wird entweder von den Figuren selbst oder dann durch die lästige Erzählstimme erklärt.

Einige Szenen sind so penetrant symbolisch inszeniert, dass sie fast nur als Parodie gelesen werden können. Etwa, wenn genau in dem Moment, in dem Johanna in der Kirche gegen ihren Willen verheiratet werden soll, ein Angriff der Normannen stattfindet. Der Priester hält dem Angreifer zuerst die Bibel entgegen, die aber mit einem Hieb zweigeteilt wird. Danach trennt das Schwert des Normannen auch noch den Kopf des Priesters vom Körper ab. In einer anderen Szene wird durch eine Kerze ein Furz angezündet. Viel mehr als ein brennender Furz ist auch «Die Päpstin» nicht.

16.11.2009

2

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Wahrheit oder Fiktion, vorhersehbar oder traumatische Entwicklung, emanzipatorisch oder spekulativ, Historie oder böser Scherz. Der Film gibt aus mehreren Gründen Anlass zu Diskussionen. Die Thematik ist allemal provokant. Fällt jetzt auch noch eine der letzten Männerdomänen? Welches kranke Hirn hat sich das bloß ausgedacht? Die Mädels kommen halt langsam aber gewaltig…
Das tangiert mich alles überhaupt nicht, obwohl es schon irgendwie dazugehört. Die Gedankenspiele gehen dann in alle angedeuteten Richtungen und es wird nie langweilig. Da kann man den Historiker schon mal beurlauben, die kritische Sehweise in die Ferien schicken und sich einfach nur wie im Zirkus unterhalten lassen.
Dafür sorgt der Film nun mal. Sönke Wortmann hat ein mittelalterliches Spektakel abgeliefert, das durchaus interessant, sogar spannend ist, dabei üppig ausgestattet mit überzeugend agierenden Akteuren. Vor allem Johanna Wokalek in der Titelrolle passt haargenau als androgyner Typ, verletzlich aber stark und doch ist die Weiblichkeit nie völlig ausgeschlossen. Man fürchtet um ihre Entkleidung! Der optische Sog tut ein Übriges, die Zeit verfliegt ohne dass man es bedauert. Und der Schluss ist auch nicht unpassend. Etwas herb, aber akzeptabel. Warum nicht!?Mehr anzeigen


riexx75

vor 10 Jahren

schöne bilder, besser wie erwartet


eumel67

vor 14 Jahren

Ich muss in meinem Beitrag leider vehement der Meinung von J. Oliver widersprechen, der in seinem von Rechtschreib- und Grammatikfehlern nur so strotzenden Text seiner offensichtlichen Enttäuschung über den Film "Die Päpstin" Luft machte. Sicher ist der Film nicht perfekt. Doch Johanna Wokaleks verhaltenes Spiel sowie die opulente Ausstattung sorgen für ein in meinen Augen ergreifendes Kinoerlebnis, wie man es aus deutschen Landen nicht unbedingt gewohnt ist.
Das Buch empfand ich damals als unterhaltsame Lektüre, doch ist die Arbeit von Sönke Wortmann nicht hoch genug einzuschätzen, da er so mutig war, Überflüssiges aus der Handlung zu entfernen und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Zudem ist die Schlusspointe eine nette ironisierende Ergänzung des Themas.
Dass dies von einem "Fantastic Movie"-Zuschauer so nicht wahrgenommen werden konnte, verwundert jedoch nicht.Mehr anzeigen


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