Frontier Blues Iran, Italien, Grossbritannien 2009 – 95min.
Filmkritik
Endlosschlaufe an der Grenze zur Einsamkeit
Hin und wieder kullert uns eine Perle vom Rande des globalen Dorfes vor die Füße: In der iranischen Grenzregion nahe Turkmenistan existiert eine Lebensform, die zwar das Energieversorgungsproblem gelöst hat, einige menschliche aber noch nicht.
Wo das Fernsehen schwarz-weiß, die Landschaft karg, die Frauen rar und kaum ein Freund zu finden ist, wird der Esel zum Gefährten. Zwei auf die 30 zugehende Burschen haben skurrile Ersatzhandlungen entwickelt, um sich von der Perspektivenlosigkeit ihres Daseins in der öden persischen Provinz abzulenken. Der eine zieht mit seinem Esel durch die Gegend, sammelt verbeulte Autokennzeichen wie andere Briefmarken, ruft wildfremde Frauen an und verliebt sich schließlich in eine Kleiderpuppenbüste.
Der andere macht einer jungen Dame, der wohl einzigen weit und breit, den Hof. Die zuckt nicht einmal mit der Wimper, wenn er sich ihr jeweils nur bis auf Blickdistanz nähert und ein Blick mehr als Tausend Worte sagen muss, aber soviel reden sie hier nicht im ganzen Leben. So langweilt er sich weiter mit seinem Englischkurs ab Audiokassette, bei dessen unendlichen Wiederholungen er keinen Fortschritt zu erzielen scheint, damit aber seine Situation und die aller anderen charakterisiert.
Baku, der Name der ehemaligen Erdölstadt, ist seine Chiffre einer zur Utopie degenerierten Vision, denn alle wissen, dass sich nichts ändert, und wenn, wär's wahrscheinlich zum Schlechteren. Wie die Kältestarre der Gefühle im finnischen Tiefkühler die Wortlosigkeit impliziert, so hat das kontinentalklimatische Hitzekoma die selbe Wirkung: Jedes Wort ist ein Wort zuviel, und noch in den toten Hühnern der Mastfarm steckt mehr Leben als in den Menschen, wenn der Wind ihre Federn bewegt.
Da ist es nur konsequent, erzählt der aus dieser Region stammende, an der London Film School ausgebildete Babak Jalali, keine Geschichte(n). Seine Episoden liefern vielmehr ein präzises, stilistisch glasklares Stimmungsportrait, welches uns diesen Gemütszustand zwischen Monotonie, Lethargie und Apathie unmittelbar erfahren lässt. Immer wieder findet er (Sinn-)Bilder für die Verhältnisse der Menschen und lässt sie mit einer stimmigen Musik ungefiltert wirken. Vielleicht ermöglicht ihm gerade sein eigenes Fortgehen diesen empathischen und zugleich ironischen, immer aber schonungslosen Blick auf den Reigen authentischer Laiendarsteller. Damit ist er Lichtjahre vom Ethnokitsch entfernt, den der Teheraner Fotograf im Film auf der Suche nach dem wahren Leben der Turkmenen immer wieder inszeniert.
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