Affären à la carte Frankreich 2009 – 100min.

Filmkritik

Beziehungsroulette für Schwindelfreie

Filmkritik: Eduard Ulrich

In der Krise bauen alle Personal ab, Danièle Thompson baut auf: Waren es in "Fauteuils d'orchestre" noch drei parallel geführte Erzählstränge, sind es nun fünf bestehende oder potentielle Paare, die sich während eines opulenten Abendessens verbal balgen.

Diese Sprachlastigkeit ist allerdings problematisch, denn ein Film sollte, wenn er nicht von Woody Allen stammt, ein visuelles Erlebnis bieten. Gefilmtes Gefasel kann nur mit brillanten Dialogen und optimal besetzten Schauspielern gewinnen. Danièle Thompson engagierte aber nur, wer sofort zusagte, was nicht alle ihre Wunschkandidaten taten. So konnte sie manche Rolle nicht typgerecht besetzen und musste neben bekannten Namen auch schwächeres Personal beschäftigen. Karin Viard kauft man die rücksichtslose, karrieregeile Anwältin kaum ab. Dany Boon spielt ihren Hausmann, was vermutlich als Vorbereitung auf seine Rolle in "De l'autre côté du lit" diente. Seine undifferenzierte Jovialität, die er in seiner Regie- und Darstellerarbeit "Bienvenue chez les Ch'tis" auf die Spitze trieb, mag hier nicht so recht passen.

Das Paar Viard Boon lädt alljährlich zu einem Abendessen in seine Pariser Wohnung ein paar Freunde und Bekannte ein. Diesmal ist auch der vielleicht zukünftige Arbeitgeber Viards eingeladen, ein abgebrühter, arroganter Star-Anwalt (Christopher Thompson) mit seiner Frau (Emmanuelle Seigner), die ihre Rolle als Hausfrau satt hat - aber nicht nur die. Viards Schwester, darf genauso wenig fehlen, wie beider Vater, Pierre Arditi, der mit einer Tochter auf gutem Fusse steht, mit der anderen verkracht ist und in keiner der beiden konträren Beziehungsqualitäten überzeugen kann. Die Wortwechsel sind dermassen realistisch, dass ihnen gerade die verblüffenden Einsichten fehlen, die man später gern zitiert. Kunst darf aber verdichten und überhöhen, ohne dadurch die Plausibilität oder Relevanz zu verlieren.

Das Problem liegt in der Konzeption: Bei elf etwa gleich wichtigen Figuren und 100 Minuten Spieldauer bleiben durchschnittlich 9 Minuten pro Nase und Mund. So kämpfen auf der einen Seite der Leinwand die Plapper- und Schlabbermäuler um die Gunst des Publikums, auf der anderen Seite kämpft das Publikum darum, aufmerksam zu bleiben und den Faden nicht zu verlieren. So gibt es Verlierer auf beiden Seiten. Da helfen auch die ausgeklügelte Figurenkonstruktion mit typischen Mittelstandseigenschaften und die Beziehungskonstellation nichts. Interessante Themata wie Beziehungsmodelle, Treue, Routine und Machtkämpfe bleiben so im Ungefähren.

16.05.2021

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Kommentare

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monika09

vor 15 Jahren

Den Film sollte man sich sparen. Reicht auch noch, wenn der in zwei Jahren bei ARTE kommt. Ich weiss, ich hätte vollkommen ergriffen sein sollen bei soviel Unglück (Krebs, Querschnittslähmung) und unbewältigten Konflikten (Vater/Tochter, Schwester/Schwester usw.) und den massiven Eheproblemen der Protagonisten, aber leider hat mich nichts davon irgendwie berührt.
Und warum die Topfrau Emmanuelle Seigner ausgerechnet beim Anblick von Dany Boon (dem Brifträger bei den Sch`tis) in sexuelle Raserei verfällt, erschliesst sich mir auch nicht....Mehr anzeigen


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