Bombay Diaries Indien 2010 – 100min.

Filmkritik

Irrlichter der Grossstadt

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Menschen in Bombay: Begegnungen mit einer US-Inderin, einem unnahbaren Künstler, einem Wäscher und eine rätselhafte Frau mit Videotagebüchern. Kiran Raos Spielfilmdebüt ist weit weg von Bollywood. Ihr Streifzug wird zum pulsierenden urbanen Zeitbild.

Impressionen einer Millionenstadt. Ein unüberschaubarer Strom von Menschen, Fahrzeugen, Verkaufsbuden, Strassenküchen. Lärm, Staub, Farben, glutvolle Stadtsilhouetten: Bombay (jetzt: Mumbai) - ein indischer Schmelztiegel. In den taucht die US-Inderin Shai (Monica Dogra), sie geht auf Foto-Safari in dieser Megacity, will die Heimat ihrer Eltern visuell erkunden. Sie begegnet dem etwas unnahbaren, abweisenden Künstler Arun (Aamir Khan), man landet gemeinsam im Bett. Shai lernt den Wäscher Munna (Prateik Babbar) flüchtig kennen, Angehöriger einer niedrigen indischen Kaste. Sie nimmt ihn als Führer, der sie die Quartiere der Ärmsten bringt. Sie fotografiert, er hängt an ihren Lippen, verliebt sich - heimlich.

Doch der verschwundene Arun, der umgezogen ist, geht Shai nicht aus dem Sinn. Munna wird zum Bindeglied zwischen der jungen Frau und dem Maler, der in seiner neue Wohnung Videotagbücher entdeckt und von Vormieterin Yasmin (Kriti Malhotra) und ihren filmischen Aufzeichnungen fasziniert ist.Kiran Rao, Regie und Drehbuch, knüpft in ihrem Spielfilmdebüt drei, vier Handlungsfäden zusammen, verbindet verschiedene Realitäten und Szenarien. Den Figuren ist eines gemeinsam: Sie haben Sehnsüchte, Träume, Begehren - unerfüllte. Arun kommt nicht über eine Trennung hinweg, scheint zu keiner neuen festen Beziehung fähig und flüchtet sich die Welt einer Fremden, die nur durch ihre Videos spricht. Shai dokumentiert eine auch ihr fremde Welt und verliert Aarun, ohne ihn je besessen zu haben. Munna will raus, träumt von einer Karriere als Filmstar und von Shai.

Munna erinnert an den jungen Helden aus Slumdog Millionaire, der auch raus aus den Slums wollte. Doch Regisseurin Kiran Rao geht es um mehr, nicht um ein Sozialmärchen, sondern um ein Stadt- und Zeitbild, um Klassen und Chancen, Sehnsüchte und verlorene Liebe. Die Bilder, teilweise mit Super 16mm und MiniDV eingefangen, sind weit weg von Bollywood: Es gibt keine Gesangs- und Tanzeinlagen. Dass Indiens Filmstar Aamir Khan, der Ehemann der Regisseurin, die Rolle des Künstlers spielt, hat einen gewissen Reiz. Ein vielschichtiges, authentisches Kinostück für Liebhaber eines modernen urbanen Dramas mit viel Sozialtouch und ohne falschen Hollywood-Schmus.

22.03.2012

3

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Kommentare

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erb

vor 12 Jahren

nur schon wegen den monsun-regenfällen sehenswert....


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