Filmkritik
Gutenbergs Urenkel
Wie jedes Handwerk wird auch der Buchdruck auf dem Höhepunkt seiner Kunst abgelöst werden. Vielleicht ist dieser Höhepunkt mit den Werken des unermüdlichen Verlegers, Druckers und Druckereibesitzers Gerhard Steidl erreicht, auch wenn das Volumen der Bücherproduktion immer noch wächst und ein Ende trotz Web und Kindle noch nicht in Sicht ist. Gereon Wetzel, der schon mit seiner schönen Dokumentation El Bulli den richtigen Moment kurz vor dem Ende erwischte, ist auch diesmal ein unaufgeregtes, aber eindrückliches Porträt gelungen.
Das Buch hat in seiner langen Tradition als Kulturträger einen Nimbus erworben, der es uns schwer macht, uns eine Welt ohne Buch vorzustellen. Als der kanadische Fotograf Jeff Wall Gerhard Steidl erklärt, warum er beim Fotopapier bleibt, statt auf digitale Elektronik zu wechseln, wird diese Diskrepanz zwischen gefühlter Bedeutung des Gewohnten und tatsächlichem Nutzen des Neuen evident und lässt sich auch aufs Buch übertragen.
Die zweite Seele in Steidls Brust weiß, dass die besten Digitalkameras höher auflösen als das beste Fotopapier, aber an anderer Stelle bekennt er, nach dem Geruch frischer Druckfarbe süchtig zu sein. So bleibt er wohl dem Buche und seinen vielen Liebhabern treu, die von ihm produzierte Bände unabhängig vom Thema sammeln und horrende Beträge dafür bezahlen. Solche technischen Fragen wie diejenige nach der Auflösung tauchen aber nur ab und zu auf, viel Zeit verbringen wir in Gesprächen mit Kunden, in denen es um konkrete Entscheidungen zur Gestaltung der Bücher, um Größe, Format, Papier, Druck- und Herstellungsverfahren geht.
Ein einziges Buch begleiten wir von der ersten Besprechung bis zur Auslieferung und werden so Zeugen des langen Weges mit vielen Gabelungen, der schließlich zu höchster Qualität und zum Glück des Kunden führt. Wetzel hält sich in gewohnter Manier zurück, nur einige Male lässt er Steidl falsche Vorstellungen ausräumen, sonst ist die Kamera ein unauffälliger Begleiter. Der Film lebt von den Begegnungen Steidls mit den recht verschiedenen Persönlichkeiten seiner Auftraggeber, weltberühmte Fotografen, Karl Lagerfeld und Günter Grass. Auch wenn die meisten seiner anspruchsvollen Kunden Fotografen sind, so spannen ihre Sujets doch einen weiten Bogen - für Abwechslung ist also gesorgt und eine bestimmte Begegnung kann sogar als kleine Sensation betrachtet werden.
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