Shutter Island USA 2010 – 138min.
Filmkritik
Reif für die Insel
Was Martin Scorsese früher Robert de Niro war, ist ihm heute Leonardo DiCaprio. "Shutter Island" ist bereits ihre vierte Zusammenarbeit. Und abermals trägt DiCaprio fast die ganze Last des Films auf seinen Schultern.
In "Shutter Island" wird Leonardo DiCaprio 1954 als U.S. Marshal Teddy Daniels gemeinsam mit seinem Partner auf eine vor Boston gelegene Insel gerufen, um das Verschwinden einer Patientin aus einer Anstalt für psychisch kranke Straftäter aufzuklären. Zwielichtige Psychiater (Ben Kingsley, Max von Sydow) und grimmig-unkooperative Aufseher erschweren die Arbeit, die Insassen begegnen ihm albtraumhaft und schließlich verhindert das schlechte Wetter eine Rückkehr zum Festland.
Zusehends bringt die so klaustrophobische wie mysteriöse Stimmung auf "Shutter Island" Daniels Verstand ins Wanken. Allzu gut bestellt um seine mentale Stabilität ist es ohnehin nicht: Zum einen wird er Erinnerungen an den Krieg nicht los, wo er mit seiner Kompanie an der blutigen Befreiung des Konzentrationslagers Dachau beteiligt war, zum anderen verfolgen ihn die Bilder seiner ums Leben gekommenen Ehefrau (Michelle Williams). Denkbar schlechte Voraussetzungen, um mit klarem Verstand herauszufinden, welch unheimliche Vorgänge sich auf der Insel tatsächlich ereignen.
Der (vorsichtige) Einsatz von Spezialeffekten und Traumsequenzen mögen überraschen, doch Martin Scorsese versucht sich mit dieser Adaption des gleichnamigen Romans von Dennis Lehane nicht zum ersten Mal am Genrekino (man denke nur an "Cape Fear"). Doch selten zitierte er so deutlich und gründlich jene Filme, mit denen er einst als Jugendlicher seine Leidenschaft fürs Kino entwickelte, von den Thrillern Hitchcocks bis hin zu den Horror- und Zombiefilmen von B-Movie-Ikone Val Lewton.
Natürlich begnügt er sich nicht damit, bloß den Konventionen der Gattung zu folgen. Deswegen wird der eine oder andere vielleicht bemängeln, dass der Film sich arg lange Zeit lässt für den Spannungsaufbau und sich der finale Plot-Twist ab der Hälfte des Films erahnen lässt, selbst für denjenigen, der den Roman nicht kennt. Aber wie sich die gewittrig-düstere Irrenhaus-Odyssee zusehends zum aufwändig und meisterlich inszenierten Gruselfilm verdichtet, ist deswegen nicht weniger beeindruckend. Und weil Scorsese sich auch in "Shutter Island" wieder der Fragestellung widmet, inwieweit Gewalt zur Natur des Menschen gehört und welche Auswirkungen sie auf ihn hat, verankert er diesen Genre-Abstecher auch jenseits von DiCaprio fest in der eigenen Filmografie.
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